Kurze Stellungnahme zur Einladung von Dr. Norman Finkelstein als Gastwissenschaftler, 16. Januar 2017

18. Januar 2017

Die Abteilung für Recht & Ethnologie des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung hat vom 16. bis zum 30. Januar 2017 Dr. Norman Finkelstein als Gastwissenschaftler eingeladen. Im Rahmen seines Aufenthalts wird Dr. Finkelstein am 16. Januar 2017 einen öffentlichen Vortrag über „Meinungsfreiheit in der Wissenschaft“ halten sowie am 23. Januar 2017 einen internen Workshop für die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung zum Thema „Rechtfertigung des Einsatzes von staatlicher Gewalt“ durchführen.

Addendum: Der interne Workshop wurde innerhalb des MPI als interne Veranstaltung angekündigt. Als Titel wurde der Arbeitstitel von Dr. Finkelsteins noch nicht veröffentlichter Publikation gewählt ("Gaza: an inquest into its martyrdom"), da im Zentrum des Workshops eine Diskussion dieses Manuskripts steht. An diesem Beispiel wird das Thema "Rechtfertigung des Einsatzes von staatlicher Gewalt" diskutiert. Diese Frage gehört zu einer grundlegenden der rechtswissenschaftlichen Forschung und stellt sich auch im Gaza-Konflikt.

Finkelsteins jüngste Arbeiten befassen sich mit Fragen der Gewalt und der Rechtfertigung von Gewalt. Sie sind inspiriert von den Gedanken Mahatma Gandhis zu Gewalt und Gewaltlosigkeit. Finkelstein widmet sich dabei wichtigen und aktuellen Fragen zu Unterdrückung, Marginalisierung und der Behandlung von Minderheiten. Diese Darstellung der Dynamik der Ausgrenzung zieht sich wie ein roter Faden durch Dr. Finkelsteins Arbeit. Er ist bemüht, diese Dynamik anhand konkreter Fälle zu beschreiben. Er scheut sich hierbei nicht, strukturelles Unrecht und andere Formen von Ausschließung kritisch zu evaluieren, was ihm den Ruf eines überaus kontroversen Intellektuellen einbrachte.

Herr Dr. Finkelstein wurde eingeladen, weil er sich mit Themen beschäftigt, die für die Ethnologie im heutigen globalisierten Kontext äußerst aktuell und als Gegenstand der wissenschaftlichen Arbeit an unserem Institut relevant sind. Eine große Zahl unserer Doktorandinnen und Doktoranden und Postdocs befasst sich mit der Untersuchung von Fällen struktureller Ungerechtigkeit in verschiedenen Regionen der Welt sowie dem Kampf um Überleben und Vorherrschaft in unseren globalisierten Gesellschaften; Situationen und Prozesse, die oftmals von Gewalt begleitet sind.

Der Aufenthalt von Dr. Finkelstein in Halle wird von bestimmten Gruppen kritisiert. Uns ist es als wissenschaftliches Institut, welches in erster Linie Grundlagenforschung betreibt, ein Anliegen mit Dr. Finkelstein über seine Forschungsarbeiten ins Gespräch zu kommen. Kontroversen sind dabei nicht auszuschließen, sie sind im wissenschaftlichen Diskurs unverzichtbar. Die Kontroverse ist ein Wesenszug akademischer Arbeit, und es ist daher auch eine unserer Aufgaben, unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler an den akademischen Diskurs heranzuführen: Sie sollen lernen, Argumenten aufmerksam zuzuhören, diese individuell zu prüfen und sich damit in respektvoller und professioneller Weise auseinanderzusetzen –, vor allem wenn diese ihren eigenen tiefen Überzeugungen widersprechen. Dies ist uns ein wichtiges Anliegen, insbesondere in einer Zeit, in der Vorurteile und anonyme Beschimpfungen fast schon gesellschaftsfähig erscheinen und der sachliche Austausch von Argumenten immer stärker ins Hintertreffen gerät.

Gegenwärtig arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als hundert Nationen bei der Max-Planck-Gesellschaft, auch an unserem Institut, dem Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit jüdischem Hintergrund sind heute – 70 Jahre nach dem Holocaust – wieder forschend in der Max-Planck-Gesellschaft tätig. Es ist ein Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Religion, Nationalität, Hautfarbe und Geschlecht an gesellschaftlichen Schlüsselthemen zusammenarbeiten, die für unsere Gegenwart und Zukunft von großer Bedeutung sind.

Kontakt:

Ch. Beck (Pressesprecherin der MPG)
Email: christina.beck@gv.mpg.de, Tel.: 089 2108 1275

S. Kiewitz (Pressereferentin der MPG)
Email: susanne.kiewitz@gv.mpg.de, Tel.: 030 4990 5654

B. Mann (MPI für ethnologische Forschung)
Email: info@eth.mpg.de, Tel.: 0345 2927 501

www.eth.mpg.de

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