Muskulöses Indien: Maskulinität, Mobilität und die neue Mittelschicht

Baas‘ aktuelle Forschung am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung stammt aus seinem jüngsten Buch Muscular India: Masculinity, Mobility and the New Middle Class (2020), einer ethnographischen Studie über Männer aus der unteren Mittelschicht, die als Fitnesstrainer angestellt sind und an Bodybuilding- und Modellierungswettbewerben teilnehmen und ihren Körper nutzen, um sich auf der Mittelklasseleiter nach oben zu arbeiten. Schwerpunkte dieser Forschung sind Kaste und Klasse, sich verändernde Geschlechterverhältnisse im städtischen Raum, neue Ideale des männlichen Körpers und damit verbundene Männlichkeitsvorstelllungen, sowie Fragen von Begehren und Sexualität. Am Max-Planck-Institut wird dieses Thema weiterverfolgt. Es geht dabei spezifisch um Männlichkeitsinszenierungen, wie sie von mittelständischen Unternehmen der Fitnessindustrie und im Rahmen männlicher Sexarbeits- und Pornografie-Industrie befördert werden.

Muscular India ist durch verschiedene Forschungsprojekte inspiriert. Das erste Forschungsprojekt untersuchte, wie sich indische Migranten mit akademischem Abschluss in Singapur mit den strukturellen Zwängen des dortigen Migrationsregimes auseinandersetzen und dieses verhandeln. Ein verwandtes Projekt untersuchte die Rolle von indischen Arbeitsvermittlungsagenturen bei Migrationsentscheidungen. Beide Projekte knüpften an Baas‘ Doktorarbeit an, in der er die Migrationsgeschichte von indischen Studenten in Australien nachvollzog. Das übergeordnete Erkenntnissinteresse all dieser Projekte bezieht sich auf eine innere Spannung in neuen Migrationsregimen. Die Anwerbung von akademisch gebildeten Migranten gilt oft als win-win-Situation. Junge Inder wollen migrieren und treffen offene Gesellschaften, die Arbeitskräfte suchen. Sie investieren in Studiengebühren und erarbeiten sich nicht zuletzt dadurch nach und nach einen Aufenthaltsstatus.  In der Praxis zeigt sich aber, dass diese Regime sich schwer regulieren lassen und so zu kontroversen Formen der Migration führen und soziale Spannungen erzeugen.

Zukünftiges Projekt: CrAItivity: Auf dem Weg zu einer Anthropologie der künstlichen Intelligenz

Baas‘ neuestes Projekt fragt nach den Auswirkungen von KI auf menschliches Handeln und Kreativität. Durch Feldforschung an mehreren Standorten in Indien und Sri Lanka trägt das Projekt zur ethnologischen Erforschung von künstlicher Intelligenz (KI) bei. In Auseinandersetzung mit Programmierern, Künstlern und Aktivisten  betrachtet es die angestoßenen sozialen Veränderungen und die aufgeworfenen normativen Fragen, die sich durch die für KI typische Technikorientierung, die die KI prägende Programmierarbeit und ihrer Finanzierung durch transnationale Unternehmen ergeben. Anknüpfend an die langjährige Struktur-Agency-Debatte in der Ethnologie richtet sich das besondere Augenmerk der Forschung auf die Frage, wie verschiedene Akteure mit kultureller und sozialer Vor-Urteilen umgehen und wie sich diese in den KI Umwelten spiegeln.

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