Heilung von Selbst und Gesellschaft: Alternative politische Vision und Verschwörung in der Tschechischen Republik

Das Dissertationsprojekt von Hynek Bečka ist eine Studie über die Corona-skeptische Bewegung in der Tschechischen Republik. Während der Pandemie bildete sich in ganz Europa bunte Bündnisse aus New-Age, rechtsextremen Aktivist:innen und besorgten Eltern. Sie forderten ein Ende der Maskenpflicht und des Impfverbots und sprachen sich gegen Impfprogramme aus. Das Projekt kartografiert die politischen Ambitionen, Träume und Wünsche, die innerhalb dieser losen definierten Bewegung aufkamen - insbesondere jene, die sich um alternative Formen der Spiritualität und verschwörerische Erzählungen versammelten. Während die Corona-skeptischen Aktivist:innen versuchen, sich dem zu widersetzen, was sie als den Aufstieg des biomedizinischen Totalitarismus wahrnehmen, sind viele von ihnen dazu gekommen, die Pandemie als einen weiteren Hinweis auf eine zutiefst kranke und ungerechte Gesellschaft zu verstehen. Sie hoffen, dass die Welt in Ordnung gebracht werden kann und dass ein radikaler Wandel bald bevorsteht. Bečka folgt diesen (kon)spirituellen Aktivist:innen über die Pandemie hinaus, wenn sie versuchen, eine alternative Gesellschaft zu entwerfen und eine alternative Zukunft mit verschiedenen Mitteln zu schaffen - politische Aktionen, Heilungsrituale und persönliche Lebensentscheidungen. Die Feldforschung für dieses Projekt fand in der Tschechischen Republik statt.
Das Hauptaugenmerk liegt auf Aktivist:innen, die ihre Bemühungen als Teil eines größeren Kampfes für eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft verstehen und (weit) mehr fordern als eine Rückkehr zum "business as usual". Enttäuscht von den Versprechungen der Moderne und von dem, was sie als Mangel an Seele und Sinn in der heutigen Gesellschaft wahrnehmen, mobilisieren Menschen verschiedene Praktiken des alternativen Lebens (gemeinschaftliches Leben, Permakultur-Gärtnern, radikale Selbsterhaltung, alternative Medizin) nicht nur, um ein gutes Leben für sich selbst zu sichern, sondern um potenziell neue Lebensweisen für alle zu eröffnen. Sie bezeichnen sich selbst als erwacht und bauen neue Netzwerke innerhalb des (kon)spirituellen Milieus auf und versuchen, die Zukunft, die sie sich wünschen, jenseits von Empörung und Protest zu verwirklichen.

Trotz des Widerwillens (kon)spiritueller Aktivist:innen, sich mit der Mainstream-Politik auseinanderzusetzen, bieten ihre Ambitionen eine Alternative zur gegenwärtigen politischen Ordnung, indem sie Fragen des Klimawandels, übermenschlicher Beziehungen und der Demokratie ansprechen. Diese "Politik im Kleinen" darf jedoch nicht romantisiert werden, da sie sich auch mit ihren eigenen Formen der Ausgrenzung verstrickt. Infolgedessen konzentriert sich diese Untersuchung auf größere Fragen der Handlungsfähigkeit und Hoffnung. Wie kann eine andere Zukunft erdacht und umgesetzt werden, wenn die Menschen nur sehr begrenzte Mittel dazu haben? Wie versuchen die Menschen, im Hier und Jetzt eine Utopie für sich zu schaffen? Wie halten sie ihr Engagement für die Gestaltung der Zukunft in einer unsicheren und unvorhersehbaren Welt aufrecht? Auf der Grundlage anthropologischer Forschungen geht Bečka der Frage nach, wie Aktivist:innen versuchen, eine potenzielle Zukunft real und greifbar zu machen, und wie sie Alternativen zur aktuellen politischen Ordnung formulieren, selbst wenn sie Teil dieser Ordnung bleiben.

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