Sibirienzentrum

Direktoren: Chris Hann, Günther Schlee
Koordinator: Joachim Otto Habeck

Halle rühmt sich einer seit langem bestehenden Sibirienforschung, welche in der Mitte des 18. Jahrhunderts begann. Diese Forschungstradition ist jedoch nicht geradlining verlaufen: sie hat aufgrund historischer Zäsuren in Politik und Wissenschaftsbetrieb divergente Ansätze hervorgebracht und auch manche Höhen und Tiefen durchlebt. Das Sibirienzentrum des Max-Planck-Instituts ist darum bemüht, die unterschiedlichen Paradigmen dieser Wissenschaftsgeschichte aufzugreifen und sie mit der heutigen Ethnologie und Sozialanthropologie zu verknüpfen. Das historische Verständnis bildet den Rahmen für unsere eigenen, gegenwartsbezogenen Feldforschungen. Aktuelle soziale Phänomene und technologische Veränderungen in Sibirien stehen dabei im Mittelpunkt. Unsere Forschungen befassen sich mit den Erfahrungen, Wertvorstellungen und Hoffnungen der Bewohnerinnen und Bewohner der sibirischen Städte, Dörfer und Nomadencamps.
Eisige Weiten, Deportationen und Arbeitslager tauchen ebenso wie endlose Wälder, unberührte Natur und indigene Völker mit ihren traditionellen Kulturen immer wieder in den Medienberichten über Sibirien auf - sie bestimmen die öffentliche Wahrnehmung. Nicht nur Reiseveranstalter, sondern auch manche regionalen Verwaltungen und einige indigene Gruppen erschaffen und reproduzieren derlei exotische Symbolik, welche die Tourismusindustrie ankurbelt. Die öffentliche Zurschaustellung von Ethnizität und Kultur, das damit verbundene „Management“ und die Verbreitung von ethno-kulturellen Symbolen und Gebrauchsgütern verdienen die besondere Beachtung der Sozialwissenschaftler/innen, die über Sibirien forschen.
Ein Großteil Sibiriens gehört zum Hohen Norden. Somit teilt diese Region viele kulturelle und politische Merkmale mit anderen Gebieten der Arktis und Subarktis. Aufgrund solcher regionaler Eigenheiten hat auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Region ein eigenes Profil - mit bestimmten Paradigmen und Wahrnehmungen, Faszinationen, aber auch mit bestimmten Formen von Desinteresse und des Nicht-Hinschauens. Einige Themen werden sehr intensiv erforscht, so zum Beispiel Ethnizität, die Beziehungen zwischen Mensch und Tier, Schamanismus, traditionelle Formen der Landnutzung, die gesellschaftlichen Auswirkungen der Öl- und Gasförderung und jüngst der Klimawandel. Andere Themenbereiche haben deutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten, so zum Beispiel die politischen Rahmenbedingungen der „Peripherie“, Arbeitsmärkte und Migration oder die soziale Situation von Schichtarbeitern und Fernpendlern. Erst seit neuestem haben Ethnolog/innen begonnen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und den Lebensalltag der nicht-indigenen Bevölkerung Sibiriens zu erforschen.
Das Sibirienzentrum versucht somit, nicht nur an die „klassischen Themen“ der Sibirienforschung anzuknüpfen, sondern diese durch innovative Fragestellungen zu erweitern und durch soziologische Ansätze zu bereichern. Charakteristisch für das Forschungsprogramm des Sibirienzentrums sind ethnographische Feldstudien auf der Mikro-Ebene, eine Kombination von Einzelprojekten und vergleichenden Methoden, die Kontextualisierung von Sibirienstudien innerhalb der allgemeinen Sozialanthropologie sowie die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Abgeschlossene Projekte

Öffentlichkeitsarbeit

Workshops und Konferenzen

Gäste

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