Migration and Conflict. The Integration of Burkinabe Migrants Displaced from Côte d’Ivoire

Andrea Riester
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Migration and Conflict. The Integration of Burkinabe Migrants Displaced from Côte d’Ivoire

Insgesamt lässt sich anhand der vier Beispiele feststellen, dass der erhöhte Wettbewerb um Zugang zu Land und die Versuche der Regierung und der Entwicklungsakteure dazu geführt haben, dass Konflikte in Batié zunehmend in ethnischen Kategorien interpretiert werden (vgl. Schlee 2006). Da die in diese Konflikte verstrickten rapatriés größtenteils mit den Mossi gleichgesetzt werden, und da die Mossi die Mehrheit in Burkina Faso bilden, eine Geschichte der Unterwerfung anderer Gruppen und im Südwesten des Landes und auch einen schlechten Ruf als „gierige Kapitalisten“ haben, werden die rapatriés – im erweiterten Sinne als Mossi – in Batié als Störenfriede wahrgenommen.

Aus der Diskussion der Situation in Batié ergeben sich sieben Schlussfolgerungen. Erstens: Obwohl Batié ein ganz spezifischer Ort in Burkina Faso ist, ist er keineswegs außergewöhnlich. Es ist davon auszugehen, dass es viele ähnliche Orte in Burkina Faso gibt, die ebenso als Untersuchungseinheit für diese Feldforschung hätten dienen und ähnliche Ergebnisse in Bezug auf die soziale Integration der Vertriebenen aus der Côte d’Ivoire hervorbringen können. Andererseits ist Batié in vielerlei Hinsicht auch etwas Besonderes, etwa weil dort keine ethnische Gruppe die Mehrheitsbevölkerung stellt oder weil Autochthonie dort nicht umkämpft ist. Jedoch ist Batié insofern repräsentativ für die Region, als sich dort zeigt, wie stark das Dreiländereck zwischen Burkina Faso, Côte d’Ivoire und Ghana von Diversität und transnationaler Migration geprägt ist. Die meisten Familien in Burkina Faso besitzen heutzutage transnationale Verbindungen, vor allem in die Côte d’Ivoire, in geringerem Maße aber auch nach Ghana. Über die Jahrhunderte hinweg hat Migration ethnisch heterogene Orte hervorgebracht, in denen Neuankömmlinge sich ganz selbstverständlich sozialen Organisationsformen, wie Nachbarschaften, ökonomischen Nischen, religiösen Vereinigungen oder örtlichen Freizeitbeschäftigungen, anschließen können. Soziale Integration an heterogenen Schauplätzen scheint somit wesentlich friedlicher abzulaufen als die Integrationstheorie, insbesondere die Assimilationstheorie (vgl. Esser 1999), die im Globalen Norden entwickelt wurde, glauben macht.

Zweitens: In dieser Region ist Migration bereits seit vorkolonialer Zeit Gewohnheit, wurde durch den Kolonialismus verstärkt und durch kapitalistische Produktionsweisen polarisiert. Heutzutage besteht ein Migrationssystem, innerhalb dessen saisonale und dauerhafte Arbeitsmigranten aus der Sahelzone in die fruchtbareren Küstenregionen ziehen, um dort auf Plantagen zu arbeiten. Das System wurde durch den Ausbruch des Bürgerkrieges in der Côte d’Ivoire vorübergehend empfindlich gestört, da Hunderttausende von Migranten aufgrund von Fremdenhass und Gewalt gegen Ausländer aus dem Land vertrieben wurden. Jedoch zieht es burkinische Migranten heute immer noch mehrheitlich in die Côte d’Ivoire und nicht nach Europa oder in die klassischen Einwanderungsländer, wie die USA, Kanada oder Australien. Ebenso setzt sich der Trend der internen Migration in Richtung des fruchtbareren Südens und Südwestens des Landes weiterhin fort. Dies wiederum hat den Prozess der Privatisierung und Monetarisierung von Land in dieser Region beschleunigt. Bis vor kurzem wurde die Gegend noch nicht für den Anbau landwirtschaftlicher Exportprodukte genutzt, mittlerweile verschärft dieser Trend aber die dortige soziale Differenzierung. Die massenhafte Ankunft der Vertriebenen und die nach wie vor kontinuierliche Ankunft interner Migranten unterstützen Modernisierungsprozesse und haben das Interesse von Entwicklungsakteuren geweckt, die Migranten allgemein als lokale Entwicklungsressource begreifen. In dieser Hinsicht wirft die Dissertation auch Licht auf Mechanismen der Süd-Süd-Migration, und zeigt, dass es nicht notwendigerweise die Ärmsten der Armen sind, die sich auf regionale Migration konzentrieren, was bisher in der Migrationstheorie als üblich gilt.

Drittens: Integration als politisches Projekt ist Folge der spezifisch europäischen Geschichte der Nationenbildung seit dem 18. Jahrhundert und basiert entweder auf der Idee einer homogenen Nation (wie etwa im Konzept der Assimilation) oder aber eines Nebeneinanders klar unterscheidbarer ethnischer Gruppen (wie etwa im Konzept des Multikulturalismus). Im Globalen Süden hat Staatlichkeit hingegen eine ganz andere Bedeutung, weshalb Regierungshandeln weniger auf Fragen der Integration als auf Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung gerichtet ist. Daher wird soziale Integration in Westafrika in Abwesenheit eines politischen Projekts der Integration nicht direkt von staatlichen Akteuren und/oder Politiken gestaltet. Jedoch bilden die dortigen staatlichen Modernisierungs- und Entwicklungsprojekte den Rahmen, innerhalb dessen soziale Integration abläuft und von diesen indirekt beeinflusst wird. Während Neuankömmlinge sich lokalen Gruppen anzuschließen und sich mehr oder minder an die lokalen Gegebenheiten anzupassen versuchen, konterkarierten Regierung und Entwicklungsakteure in Burkina Faso zumindest zeitweise diese Bemühungen, indem sie die Rolle der rapatriés entweder als Opfer des Krieges oder als Unternehmer mit hohem entwicklungspolitischem Potential definierten. Zwar ließen sich durchaus einzelne rapatriés auf die Opfer- oder aber auf die Unternehmerrolle festlegen, jedoch trugen die staatlichen Maßnahmen vor allem dazu bei, die Konkurrenz zwischen der lokalen Bevölkerung und den rapatriés zu verschärfen. Die Spannungen nahmen derart zu, dass der sorgfältig ausgewählte und von der Regierung geprägte Begriff „rapatrié“ heutzutage kaum noch patriotische Konnotation hat und stattdessen als Schimpfwort gilt.

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