Identification, Discrimination and Communication: Khorezmian Migrants in Tashkent

Rano Turaeva-Hoehne
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Meine Dissertation gliedert sich in fünf themenorientierte Teile, die meist mit einer eigenen thematischen Einführung beginnen. Teil I liefert den einführenden Hintergrund und präsentiert in zwei Kapiteln (Kapitel I und II) die theoretischen und empirischen Grundlagen zur Arbeit sowie einen Überblick über die früheren sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Zentralasien. Der Fokus liegt hierbei auf konkreten Problemen in bestimmten Zeitperioden. Bestandteil dieses Überblicks sind sowohl frühere und gegenwärtige Migrationsprozesse als auch die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Region mit deren historischen Implikationen für die Bildung der Gesellschaft und sozialer Gefüge, Normen und Werte einschließlich familiärer und verwandtschaftlicher Bindungen sowie Geschlechterrollen und -beziehungen. Die historische Betrachtung dieser Problemfelder macht es möglich, Veränderungen und Entwicklungen zu verfolgen, welche die Inhalte und Dynamiken von interethnischen Beziehungen beleuchten können, die ich in meiner Arbeit analysiere.

Teil II umfasst Kapitel III und stellt die Land-Stadt-Migration in Usbekistan anhand von Erfahrungen von Migranten vor. Diese inländische Migration ähnelt dem Muster von internationaler Migration. Zunächst beschreibe ich Geschichten von inländischen Migranten, die nach Taschkent kommen. Typische Geschichten zur Reise, Ankunft und Ansiedlung in Taschkent bilden das Herzstück des Kapitels III. Ein ethnographischer Abschnitt beschäftigt sich zudem mit dem propiska Büro, seinen Kunden, und den in diesem Büro stattfindenden oft illegalen Aktivitäten. Die detaillierten Beschreibungen des Legal-Seins und Illegal-Werdens im eigenen Land bieten Einblicke in die Machtverhältnisse, die ich in Kapitel VIII im Zusammenhang mit Bindung und Identifikation weiter beschreibe.

Teil III behandelt die linguistischen Aspekte des Identifikationsprozesses. Er besteht aus zwei Kapiteln. Kapitel IV gibt einen detaillierten Überblick der linguistischen Unterschiede der usbekischen Dialekte gegenüber der usbekischen Schriftsprache. Kapitel V stellt diverse rhetorische Strategien und linguistische Mittel vor, die während des Identifikationsprozesses angewandt werden. Die Ethnographie der Kommunikation von Choresmiern und anderen usbekischen Gruppen in Taschkent ist geprägt von „Wir-Codes“ und „Sie-Codes“, sowie von Absichten und „wahrgenommenen Absichten“, welche den Mittelpunkt der theoretischen Diskussion in diesem Teil bilden. Damit trägt Teil III wesentlich zur Hauptargumentationslinie meiner Arbeit bei bezüglich der Art und Weise, wie Identitäten gegenüber dem jeweils Anderen kommuniziert werden. Dieser Teil schlägt den Bogen zurück zum ersten Teil meines theoretischen Rahmens, der die Identitätspolitik zwischen verschiedenen Gruppen in Taschkent behandelt.

Teil IV beinhaltet Kapitel VI und knüpft an die Analysen des vorangegangenen Teils III an und baut auf den dort vorgestellten Ergebnissen zu Kommunikation und Identifikation auf. Kapitel VI analysiert die augenscheinlichen Dynamiken und Spannungen des kollektiven Identifikationsprozesses usbekischer ethnischer Untergruppen in Taschkent. Das Kapitel stellt die Perspektiven verschiedener Akteure dar und betrachtet die Elemente der Identitätspolitik von Choresmiern, Taschkentern und anderen usbekischen Gruppen. Das Kapitel vervollständigt damit den linguistischen Teil der Hauptargumentation der Arbeit durch die Untersuchung der Interaktion und Beziehungen zwischen dem Schaffen des „Wir“ und des „Sie“. Teil III und IV bilden zusammen das Herzstück der Dissertation mit den Ausführungen zur Kommunikation und Repräsentation von kollektiven Identitäten zwischen Choresmiern und anderen Gruppen in Taschkent.

Teil V beschreibt in den Kapiteln VII und VIII die internen Dynamiken der Choresmier-Gemeinde, in denen ich die Widersprüche der Identitätsbildung innerhalb der Gruppe aufzeige. Ich weise in meiner Arbeit die Sichtweise zurück, welche zwar die Beziehungen zwischen dem „Wir“ und dem „Sie“ betrachtet, aber das Innenleben des „Wir“ ignoriert. Kapitel VII stellt verschiedene Formen und Strategien von gemeinschaftsbildenden Projekten und sozialer Organisation der Choresmier vor. Der Schwerpunkt liegt auf Vernetzungsstrategien, die vor allem Möglichkeiten für die Ansiedlung von Neuankömmlingen in Taschkent schaffen sollen. Diese Strategien werden besonders von Führungspersonen und Akteuren erfolgreich angewandt, die im Prozess der Gemeinschaftsbildung eine Rolle spielen. Das Kapitel stellt zudem Strategien vor, mit denen die Choresmier spätere Heiratspläne innerhalb ihrer eigenen Netzwerke und Gruppen absichern. Dies wird exemplarisch anhand der Autobiographie einer Führungsperson (Sayora) in der Choresmier-Gemeinde nachgezeichnet, die in mehrere Netzwerke, Partnervermittlungsdienste und eine Brautschule in Taschkent involviert ist. Kapitel VIII untersucht die Bindungen und Abhängigkeiten unter den Choresmiern in Taschkent und zeigt die internen Widersprüche der Gemeinde auf. Macht, Abhängigkeit und Autonomie werden hier als Variablen betrachtet, um die Entstehung von ungleichen Beziehungen zu beleuchten. Ich erforsche die Dynamiken von Beziehungen zwischen Abhängigkeit und Macht; zudem unterscheide ich zwischen Bindung und Identifikation.

Teil VI bildet den Abschluss der Arbeit. Das hier enthaltene Kapitel IX präsentiert die Ergebnisse meiner Forschung und zeigt die Verbindungen auf, die sich aus den Resultaten ergeben. Diese Verbindungen bestehen z.B. zwischen den beschriebenen Identifikationsprozessen einerseits und der sich wandelnden Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft andererseits. Hier hat sich seit dem Ende der sowjetischen Wirtschafts- und Sozialordnung viel verändert. Verwandtschaftsnetzwerke und „traditionelle“ Arrangements in Bezug auf Heirat und andere life-cycle Ereignisse haben stark an Bedeutung gewonnen. Eine weitere Verbindung sehe ich zwischen Kommunikation und Identifikation, wobei ich in meiner Schlussbetrachtung besonders auf die Bedeutung von fehlgeleiteter Kommunikation (miscommunication) eingehe. Ich hebe zudem die Unterscheidung zwischen den zwei verschiedenen Auffassungen von Bindung und Identifikation bei der theoretischen Betrachtung von Identitäten und Identifikation hervor.

Am Ende des Kapitels stelle ich noch einige Thesen zu kollektiven Identitäten ethnischer Untergruppen in Taschkent auf. Erstens, Sprachvarianten und rhetorische Strategien sind bedeutend für kollektive Identifikationen, besonders in solchen Regionen, die unterschiedliche Sprachgruppen umfassen. In diesem Zusammenhang sind diverse Kategorien von Gruppenzugehörigkeit und kollektiver Identifikation oft widersprüchlich und variabel. Zweitens, Prozesse kollektiver Identifikation beruhen im Kern auf Beziehungen, die der sozialen und wirtschaftlichen Absicherung dienen und die oft auf Verwandtschaft beruhen. Drittens, kollektive Identitäten werden durch ethnische und Verwandtschaftsnetzwerke sowie durch „Routinepraktiken“ institutionalisiert (Jenkins 1997: 26), was Transaktionen und die Ordnung innerhalb und zwischen Gruppen aufrechterhält. Diese Ordnung hat auch Bestand aufgrund der gruppeninternen Mac- und Abhängigkeitsbeziehungen. Letztere machen wesentliche Bindungen innerhalb von Gruppen aus. Viertens, die Staatsgewalt bildet nicht die institutionelle Grundlage von kollektiven Identitäten, sie existieren eher in relativ unabhängiger Form mit ihren eigenen Hierarchien und Grundsätzen. Die Staatsgewalt beeinflusst die Ordnung und Grundsätze durch formelle und informelle Gesetzgebungen und Kontrollpraktiken.

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