The Global Nuer. Modes of transnational livelihoods

Christiane Falge
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

The Global Nuer. Modes of transnational livelihoods - Dissertation Thesis

Kapitel II beginnt mit einem historischen Überblick über die Phasen der refugeeization („Verflüchtlingung“) und über die Militarisierung der Nuer in verschiedenen äthiopischen Flüchtlingslagern. Durch die Beschreibung der Flüchtlingslager und deren Funktion als Orte, an denen die Nuer Urbanität und größeren globalen Einflüssen ausgesetzt waren, können diese „Phasen“ und ihre verschiedenen Auswirkungen auf die Nuer voneinander abgegrenzt werden. Eine dieser „Phasen“ umfasst die traumatische Erfahrung der GAJAAK-Nuer. Ihr Gebiet wurde in den 1980er Jahren von der SPLA besetzt, und es blieb auch während des SPLA-GAJAAK-Krieges, der sich aus dieser Okkupation entwickelte, von 1985 bis 1987 besetzt. Es werden in diesem Kapitel die sowohl von der SPLA als auch von den GAJAAK-Nuer angewandten Kampfstrategien untersucht, wie z.B. die „göttliche Kriegsführung“ unter Einbindung von Nuer-Propheten (guk) und deren Auswirkung auf die soziale Ordnung der GAJAAK. Des Weiteren wird dargestellt, welche Folgen der Regierungswechsel in Äthiopien nach dem Sturz des Därg für die Nuer hatte, der eine Abwanderung von 300.000 Flüchtlingen in benachbarte Länder verursachte. Indem dargestellt wird, wie das Leben der Lokalbevölkerung und die lokalen Machtverhältnisse von größeren Machtstrukturen geprägt sind, werden die dramatischen Ausgänge, die diese Ereignisse auf das Leben der Menschen im südlichen Sudan genommen haben, analysiert. Dieser Regierungswechsel in Äthiopien hat indirekt die Befreiungsbewegung im Sudan beeinflusst, die mit dem Coup-Versuch dreier Kommandanten gegen John Garang angesichts der einsetzenden Nuer/Dinka-Spaltung ihren Anfang nahm und Fragmentierungsprozesse sowie Gruppen-Abgrenzung unter den Nuer umfasst. Daneben wird aufgezeigt, wie sich die Nuer in den Flüchtlingscamps der Fragmentierung ihrer Gesellschaft entgegenstellten, indem sie ihr Verwandtschaftssystem an diese Lebenslage anpassten und entfernte zu nahen Verwandten machten. Es wird argumentiert, dass Konflikte in den Flüchtlingslagern auch durch politische Interessen des äthiopischen Staates ausgelöst werden. Das Kapitel endet mit der Einführung eines Umsiedlungsprogramms für sudanesische Flüchtlinge in die USA in den frühen 1990er Jahren und damit aufkommenden Vorstellungen sowie prophetischen Voraussagen von Nuer-Flüchtlingen über die USA.

Anhand einer Definition von Gewalt als unvermeidlichem strukturellen Merkmal des Nuer-Lebens, welches zu höherer Systembindung führt, beschäftigt sich Kapitel III mit der alarmierenden Eskalation von Gewalt im Leben der Nuer und mit den verschiedenen Erklärungsmustern, die unterschiedliche soziale Kategorien der Nuer damit verknüpfen. Die Erklärung für Gewalt wiederum wird anhand von Erinnerungen, die die Nuer an den Kolonialismus und an den Bürgerkrieg haben, näher betrachtet.[1] Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Eskalation von Gewalt bei den Nuer aus einer historischen Perspektive betrachtet, indem gezeigt wird, wie der Staat versucht, Gewalt zu kontrollieren. Darüber hinaus werden die Funktionsweisen einer Reihe von Verwaltungssystemen dargestellt, die während der Kolonialzeit, aber auch während des Bürgerkriegs, Einfluss auf die politische Organisation der Nuer und insbesondere auf das Lineage-System hatten. Außerdem wird der Umgang mit verschiedenen lokalen und staatlichen Institutionen behandelt, wie die Nuer-Fehde, Konzepte von Verunreinigung oder das Rechtssystem. Durch eine historische Untersuchung dieser Institutionen und in Bezug auf unterschiedliche systemische Kontexte werden diese Institutionen mit der graduellen „Entbettung“ von Gewalt bei den Nuer in Beziehung gesetzt.[2] Durch die Präsentation verschiedener Fallstudien zu den Prozessen sozialen Wandels und zur Kriegsführung innerhalb der GAJAAK-Gesellschaft, wird versucht, die Integration von Gewalt in das alltägliche Leben nachzuweisen. Der Fokus der Betrachtungen liegt hierbei auf dem segmentären Lineage-System und auf den Prozessen der „segmentären Militarisierung“, die in den 1990ern zusammen mit den Phänomenen der „warlords“ und den „Märkten der Gewalt“ aufgetreten sind. Abschließend werden in diesem Kapitel die Dilemmata der älteren Generation, die einen Machtverlust gegenüber der jüngeren erlebt, im Kontext einer sich wandelnden Welt diskutiert. Dabei wird der Einfluss, den Krieg und Flüchtlingslager auf aufkommende Generationenkonflikte nehmen, untersucht und sich in diesem Zusammenhang verändernde Konzepte von Männlichkeit und Führerschaft sowie Geschlechterbeziehungen beschrieben.

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