The Global Nuer. Modes of transnational livelihoods

Christiane Falge
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

The Global Nuer. Modes of transnational livelihoods - Dissertation Thesis


Kapitel IX beginnt mit einer Vignette über die Vorführung eines ‚Wunders’ durch den Leopardenfell Chef Wutnyang. Dieses Wunder findet auf einer von der Kirche organisierten Friedenskonferenz in Fangak, Sudan statt, an der Nuer-Migranten aus den westlichen Ländern mit urbanen und ländlichen Nuer aus dem Sudan, Kenia und Äthiopien zusammenkamen, um sich am Ende des Bürgerkrieges neu zu organisieren. Die Beschreibung dieser Konferenz am Ende der Dissertation bringt das Bestehen des transnationalen Feldes und die Partizipation der Nuer daran noch einmal auf den Punkt. Für die Gruppe der Nuer, die in der Dissertation beschrieben wurde, stellt Modernität eine wichtige Rahmenbedingung dar. Das nuerisierte Christentum mit seinen Lineage-Strukturen grenzt Formen der sozialen Organisation aus der Vergangenheit, wie dem Leopardenfellchef, dennoch nicht vollständig aus. Das Kapitel IX fasst zusammen, wie das segmentäre Lineage-System verschiedene Phasen der Nuer-Geschichte durchläuft und darauf reagiert. Durch ihre Erfahrungen in diesen verschiedenen Phasen haben die Nuer eine Form des christlichen Modernismus geschaffen, welcher nicht säkular und nicht individuell ist, sondern gleichzeitig sowohl von Lineages als auch von Religion geprägt wird – dem segmentären Christentum. Nach dem Fehlschlagen des Nationalismus, dem ‚Wegfegen’ des Sozialismus in den 1980ern und dem Fehlschlagen neoliberaler Weltbankprojekte im Afrika der 1990er Jahre ist das Christentum für die Nuer wie für viele andere Afrikaner eine mächtige Bewegung geworden, die insbesondere für die jüngeren Generationen Hoffnungen, Versprechungen und Gelegenheiten birgt, an einer globalisierten Welt teilzunehmen. Der Vergleich der Konversionsphasen zeigte dabei, dass verschiedenen Begegnungen mit Welt-Narrativen seit dem Kolonialismus zwar Bilder von Modernität formten, jedoch nicht zu einem universalen Modernisierungsprozess führten. Ebenso stellte sich heraus, dass die teilweise Akzeptanz der Nuer von kapitalistischen Lebenspraktiken keiner universalen Modernisierungslogik folgte, sondern sich auf die Wahrnehmung ihrer strukturellen Position innerhalb der Weltgesellschaft und die von den Missionaren eingeführten „zivilisiert/barbarisch“-Dichotomie gründeten. Die teilweise Annahme eines kapitalistischen Ethos führte zu starken Spannungen zwischen diesem Ethos und einem Lineage-System, welches Umverteilung einfordert. Die transnationalen Aktivitäten der Nuer haben verdeutlicht, dass es sich hier um eine Globalisierung von unten handelt, innerhalb derer Migranten sich für mehr Würde, Respekt und Gleichheit der Menschen in ihren Herkunftsländern einsetzen, sich mit Hilfe eines transnationalen Feldes gegen Rassismus und die Unverlässlichkeit der US Ökonomie schützen, und sie an grenzübergreifendem Nationalismus teilnehmen lässt. Die unterschiedlichen Fallstudien über das Lineage-System in den Camps und den USA haben schließlich auch ergeben, dass homo oeconomicus Hand in Hand mit homo socoologus handelt und beide gleichermaßen in Entscheidungen über Allianzbildung involviert sind – sowohl ökonomisches Interesse, Status und Struktur das Ergebnis einer Allianz beeinflussen.

Die Zusammenfassung endet mit dem Aufzeigen von zukünftigen Forschungsmöglichkeiten, die das Spannungsverhältnis der Christen zwischen einem kapitalistischen Ethos und der Lineage auf der einen Seite und dem Teilnahmeanspruch von Nicht-Christen an neuen Formen sozialer Organisation bei gleichzeitiger Erhaltung alter Formen weiterführend untersuchen könnten.



[1] Ich verwende „Erinnerung“ in diesem Zusammenhang in einem ethnologischen Sinne. S. hierzu Steward 2004, Pine et al. 2004 sowie Antze/Lambek 1996.

[2] Mit systemischen Kontexten sind der äthiopische und der sudanesische Staat sowie die SPLA gemeint.

Go to Editor View