Pétrole et changement social: rente pétrolière, dé-agriculturation et monétisation des interactions sociales dans le canton Béro au sud du Tchad

Remadji Hoinathy
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Erdöl und sozialer Wandel in der Logone Oriental Region (Tschad). Die Auswirkungen der Erdölrente auf Landwirtschaft, Monetarisierung und soziale Interaktion im Kanton Béro

Erdöl ist eine strategisch wichtige Ressource und eine der begehrtesten weltweit. Es ist ein wesentlicher Bestandteil aller Industrieprozesse, das ‚Blut’ der mechanischen Produktion und der Kraftstoff motorisierter Gesellschaften; volumenmäßig stellt Erdöl die meistgehandelte Ware der Welt dar (Yates 1996: 1). Bereits viel früher als Ethnologen haben Ökonomen, Politologen und Umweltwissenschaftler Öl als Forschungsthema entdeckt. In ihren Studien bedienen sich sie Konzepten wie etwa „resource curse“ (Ressourcenfluch), „oil curse“ (Ölfluch), des „paradox of plenty“ (Paradox des Überflusses) oder der „Dutch disease“ (holländisches Syndrom) und des Rentierstaates, die alle für eine anthropologische Analyse von Erdöl und seine Auswirkungen von Interesse sind. Im Zusammenhang mit Ölstaaten wird der Begriff des Ressourcenfluchs benutzt, um auf eine Situation hinzuweisen, die durch stagnierende soziale Entwicklung und anhaltende Armut trotz hoher Staatseinnahmen, durch viele Konflikte (meist gewalttätige) und durch eine Neigung zu einer autoritären Regierungsform (Reyna und Behrends 2011: 6) gekennzeichnet ist. In einem solchen Staat, der als Rentierstaat bezeichnet wird (u.a. Yates 1996), entstehen die Staatseinnahmen vor allem aus Ölförderlizenzen, während produktive Aktivitäten und andere Mehrwertleistungen fortschreitend vernachlässigt werden. Korruption nimmt zu und politische Institutionen werden geschwächt (Ali Alayli 2005). Infolgedessen erhöht sich die Abhängigkeit von Öleinnahmen und von Importen, wobei nicht Öl bezogenene Exporte zurückgehen. Eine solche Entwicklung wird auch als „Dutch disease“ bezeichnet, weil sie zuerst für Holland – wenn auch in Verbindung mit der Ausbeutung von Gasvorkommen – beschrieben wurde (u.a. Corden 1984). In den Ländern, wo das eben genannte Syndrom sich breit macht, verteidigen die Eliten ihre Vorteile eindringlich und stützen das etablierte Regime mit so großem Nachdruck, dass Autoritarismus und Militarisierung hervorgerufen bzw. prolongiert werden. Zugleich verschlechtern sich die sozio-ökonomischen Bedingungen und die Umweltsituation des Landes.

Die eben erläuterten Konzepte fassen Entwicklungen zusammen, die auf der Makro- Ebene auftreten können. Allerdings halte ich die mit diesen Konzepten verbundenen Thesen für übergeneralisierend. Tatsächlich tritt Ölkapitalismus immer in spezifischen historischen, kulturellen, institutionellen und politischen Kontexten auf, die bei der Untersuchung der Auswirkungen der Erschließung und Ausbeutung von Ölvorkommen berücksichtigt werden müssen. Diesem Anliegen folgend stützt sich meine Arbeit zu sozialem Wandel im südlichen Tschad seit Beginn des sogenannten Tschad-Kamerun Ölprojekts (2000), das die Erschließung und die Ausbeutung des Ölfelds von Komé umfasst, auf verschiedene theoretische Ansätze.

In der vorliegenden Dissertation wird sozialer Wandel (1972: 366) in Anlehnung an Moore (1972: 366) als deutliche Veränderung von sozialen Strukturen (u.a. Mustern von sozialem Handeln und sozialen Interaktionen) und als Veränderung von Normen, Werten und kulturellen Produkten und Symbolen, in denen sich soziale Strukturen manifestieren, verstanden. Um die Veränderungen zu beleuchten, die im Béro-Distrikt seit der Ankündigung der Renten (1998) und dem Beginn der effektiven Auszahlung in Form von Gehältern und Entschädigungen (2000) eingesetzt haben, beziehe ich mich zum Teil auf die Theorie des Rentierstaates (u.a. Madhavy 1976) und insbesondere auf das Konzept der Ölrenten (u.a. Yates 1996). Ich stütze mich auf Berrys vergleichende Studie (1993) des veränderten Zugangs zu Land, Produktionsmitteln und Arbeitskraft in ländlich-agrarischen Kontexten in Ghana, Nigeria, Sambia und Kenia, um eine Verbindung herzustellen zwischen Veränderungen im landwirtschaftlichen Bereich und sozialem Wandel als Folge der Erschließung und Ausbeutung von tschadischen Ölvorkommen. Aber auch andere ergänzende theoretische Ansätze fließen in die einzelnen Kapitel ein, die jeweils einen besonderen Aspekt von sozialem Wandel behandeln.

Go to Editor View