Pétrole et changement social: rente pétrolière, dé-agriculturation et monétisation des interactions sociales dans le canton Béro au sud du Tchad

Remadji Hoinathy
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Erdöl und sozialer Wandel in der Logone Oriental Region (Tschad). Die Auswirkungen der Erdölrente auf Landwirtschaft, Monetarisierung und soziale Interaktion im Kanton Béro


Kapitel 4 untersucht die Interaktionen zwischen den durch das Ölprojekt spontan neu entstandenen Dörfern und den bereits existierenden Dörfern. Infolge der Mythisierung des Öls und der Vorteile seiner Nutzung strömten viele Migranten (ehemalige Bewohner des Ölgebietes, Menschen aus anderen Regionen des Tschads, aus Kamerun, der zentralafrikanischen Republik und Nigeria) auf der Suche nach Arbeit und Geschäftsmöglichkeiten in das angebliche Öl-Eldorado, um ihren Anteil am Traum zu suchen. Im Zuge des Ölrausches entstanden spontan Dörfer wie Moudadogne und Satan zwischen den bereits vorhandenen Dörfern (Béro und Komé- Ndolobé) und den Ölförderanlagen (Komé base und Komé 5). Diese neuen Dörfer wurden zu Anziehungspunkten und zur Bühne für die tägliche Interaktion zwischen der lokalen Bevölkerung, den Migranten und den Mitarbeitern der Ölkonzerne. Diese Migranten brachten urbane Lebensstile mit in die Dörfer, einschließlich von Kneipen, ‚Diskos’, Herbergen und Prostituierten. Dies führte auch zu Veränderungen in den autochthonen Dörfern. Das Beispiel des Alkoholkonsums zeigt, dass gewöhnliche Trinkgepflogenheiten und damit verbundene Werte ersetzt wurden durch eine „heavy drinking culture“, wie ich es mit Bryceson (2002: 269-270) nennen würde, d.h. den zügellosen und auffälligen Genuss von Alkohol. Dies hat verschiedene sozio-ökonomische Folgen und geht z.B. einher mit einer zunehmenden Freizügigkeit in Bezug auf Sexualverhalten und ein erhöhtes Risiko, mit Geschlechtskrankheiten und HIV/AIDS infiziert zu werden. Die öl-bezogenen Migrationsbewegungen und der daraus folgende Kontakt zwischen Migranten und lokaler Bevölkerung führen zu neuen Praktiken und Verhaltensmustern, welche die Mango als einen Verlust ihrer Werte verstehen. Die Etablierung dieser neuen Praktiken und Verhaltensmuster wird in dieser Arbeit zum Teil mit Rekurs auf Kopytoff’s Konzept der „internal frontier“ (1986, 1996) analysiert.

Kapitel 5 behandelt die sozialen Dynamiken, die durch die Gelder der Ölförderlizenzen hervorgerufen wurden. Dorfbewohner haben Zugang zu diesen Geldern durch Entschädigungszahlungen für ihr Land (gezahlte Beträge sind teils lächerlich niedrig, obwohl es Ausnahmen von 1 bis zu 5 Mio. Francs CFA – und sogar von 15 Mio. Francs CFA – gibt; 1 Euro = 665 Francs CFA) oder Gehälter aus unbefristeten oder temporären Arbeitsverhältnissen. Diese Geldbeträge flossen dann in die täglichen Konsum- und Tauschaktivitäten, was plötzlich zu einem erheblich erhöhten Geldfluss in den Dörfern des Ölgebietes führte. Allmählich stand das Geld im Zentrum sozialer Interaktionen und führte zu einer Inflation, die auch soziale Institutionen berührte. Dieser als Monetarisierung bezeichnete Prozess (u.a. Arhin 1995, Berry 1995) beeinflusst vor allem drei Bereiche: Heiratstransaktionen (Brautpreis), Verwandtschaftsbeziehungen und lokale Machtbeziehungen. In der Mango-Gesellschaft besiegelt der Brautpreis die Ehe der Brautleute und die Allianz zwischen deren Familien und legitimiert ihre Nachkommen. Der Brautpreis setzt sich aus Geld und Geschenken zusammen. Seit dem Beginn des Ölprojektes im Jahre 2000 ist die Höhe des Brautpreises inflationär gestiegen. Er hat sich inzwischen verdreifacht und in manchen Fällen sogar vervierfacht. Zugleich spielt Käuflichkeit eine zunehmende Rolle bei Eheschließungen. Dies führt zu einer Trivialisierung der Ehe als Institution und schmälert ihren symbolischen Charakter. Inzwischen sind Eheschließungen zu einer Strategie geworden, Zugang zu Ölgeldern zu erlangen, indem horrende Brautpreise verlangt werden. Durch die Ölgelder kam es auch zu einer Diversifikation des Zugangs zu finanziellen Ressourcen in Bezug auf die Beziehungen zwischen Jung und Alt. Da junge Menschen nun eigenständig Zugang zu finanziellen Ressourcen erlangen, wird die Macht der Alten und der traditionellen Institutionen geschwächt, denn diese Macht stützte sich u.a. auf die Kontrolle des Zugangs zu und der Verteilung von Ressourcen. Mit Beginn des Ölprojektes ist der finanzielle Wert von Land hervorgetreten. Ansprüche verschiedener Parteien auf das gleiche Stück Land nahmen zu und die Zahl der Streitigkeiten zwischen Mitgliedern eines oder verschiedener Lineages oder zwischen den Nachkommen alliierter Familien über die Verteilung der Entschädigungen stieg. Teilweise können solche Streitigkeiten nicht durch die üblichen Konfliktlösungsmechanismen geschlichtet werden und führen sogar zu offenen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und sozialer Spaltung. Sobald eine Entschädigung für ein bestimmtes Flurstück gezahlt werden soll, leiden die sozialen Beziehungen unter den verschiedenen Geldansprüchen. Geld hat eine korrosive Wirkung auf Verwandtschaftsbeziehungen und bereits existierende Allianzen, was sich auch in einem Sprichwort der Mango widerspiegelt nodji la godo (sinngemäß übersetzt ‚Geld bricht Familienbande’). Abschließend beleuchte ich in diesem Kapitel den Diskurs der Mango über Geld und gehe auf ihre schlechten Erfahrungen und die Missstände in Verbindung mit den Ölgeldern ein. Diese Diskurse zu Ölgeldern erlauben auch eine allgemeine Sicht auf die Konzeptionalisierung des Öls selbst. Abgesehen von den Ölgeldern, welche die Mango als la ndil (‚böses Geld’) bezeichnen, ist Öl selbst in populären Vorstellungen auch stark mit bösen Kräften und korrumpierenden Eigenschaften assoziiert (Watts 2004). Wie ich in meiner Arbeit zeige, gibt es eine Verbindung zwischen der Mythisierung des Öls durch die Ölkonzerne und den tschadischen Staat und den entgegensetzten Auffassungen der Einwohner im Béro-Distrikt zu Öl, die als Folge der falschen Versprechen zu sehen sind.

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