The Global Nuer. Modes of transnational livelihoods

Christiane Falge
Dissertation Thesis | Doktorarbeit
submitted at | eingereicht an der
Philosophischen Fakultät I, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

OPAC

Date of Defense | Tag der Verteidigung
10.07.2006

Supervisors | Gutachter
Prof. Dr. Richard Rottenburg
Prof. Dr. Günther Schlee

German Summary - Deutsche Zusammenfassung

Im Zentrum der vorliegenden Studie steht der Globalisierungsprozess der Nuer und wie die Nuer in diesem Prozess ihre Lineage-Strukturen, die sich von Ostafrika aus durch die westliche Welt ziehen, nicht nur bewahrten, sondern sogar noch verstärkten. Ich werde mich in der Analyse dieses Prozesses auf die Rolle des Christentums konzentrieren, das in der Geschichte der Nuer einen besonderen Platz einnimmt und ihnen den Zugang zu einer bestimmten Form der Modernität gewährt. Die Fragestellungen, auf denen die Untersuchung basiert und auf die sich die neun folgenden Kapitel beziehen, lauten: In welcher Verbindung steht das Christentum mit dem Bedürfnis der Nuer, zu einer globalisierten Welt zu gehören? Welche Bedeutung hat Konversion für die Nuer und an welchem bestimmten Punkt tritt das Christentum in ihre Geschichte ein? Wie und warum wahren sie transnationale Identitäten und wie gestaltet sich ihr Verhältnis sowohl zu ihren Herkunftsländern als auch zu den USA? In welchem Verhältnis steht ihre strukturelle Verortung in den USA zu der Akzentuierung ihres Lineage-Systems?

Das erste Kapitel führt in die theoretische Orientierung der Dissertation ein und gibt sowohl Hintergrundinformationen über die räumliche Verteilung der Nuer in Dörfern, urbanen Zentren und in Flüchtlingscamps im Sudan, Äthiopien, Kenia und den USA als auch über die Bedingungen und Methoden der Feldforschung.

Im Zentrum der Arbeit steht eine Auseinandersetzung über die Begegnungen der Nuer mit Kolonialismus, Missionaren, Jahren des Bürgerkrieges und der Globalisierung und die durch diese Begegnungen geprägten alten und neuen sozialen Organisationen. Dabei wird argumentiert, dass die Verkettung von drei Dingen, und zwar 1. einem sich ändernden Lineage-System, 2. dem Christentum und 3. der Entstehung des Transnationalismus bei den Nuer zu dem Bedürfnis geführt haben, an westlichen Formen der Modernität teilzunehmen. Wichtig dabei ist jedoch, dass sie dies auf ihre eigene Art tun wollen. Die Betonung einer ‚Nuer-spezifischen’ Art der ‚Modernisierung’ bildet den roten Faden der Arbeit, der immer wieder auf die Schwachstellen einer auf universalen Meta-Narrativen beruhenden Modernisierungstheorie hinweist. Einen Beitrag zur Dekonstruktion der Modernisierungstheorie zu leisten, ist daher ein zentrales Anliegen der Dissertation. In der Beschreibung der sich globalisierenden Nuer wird sich einerseits von einer Sichtweise der die Globalisierungstheorie als radikal neuer Theorie distanziert, während andererseits dennoch argumentiert wird, dass der Transnationalismus die Migration auf bestimmte Weise verändert hat. Diese Veränderung stellt sich in einer Intensivierung der Migrationsprozesse und in der Tatsache, dass es sich bei den Migranten nun auch um untere Schichten wie die Nuer und nicht mehr nur um ‚Privilegierte’ handelt, dar. Migranten heben sich zunehmend durch einen Menschenrechtsdiskurs ab, der versucht, über eine Institutionalisierung die Marginalisierten in westliche Lebensstandards zu integrieren. Das Konzept des transnationalen Feldes bildet eine weitere theoretische Grundlage der Arbeit und grenzt sich sowohl von einem Container-Modell von Gesellschaft und Staat ab als auch von der unilinearen Herangehensweise konventioneller Migrationstheorien. Diese transnationale Herangehensweise möchte zeigen, dass Migranten, anstatt sich in einem Ankunftsland zu assimilieren und die Verbindungen zum Herkunftsland abzubrechen, gleichzeitig Verbindungen zu mehreren Staaten aufrechterhalten und sich mit ihnen identifizieren. Das Kapitel gibt auch einen Überblick über das Nuer-Christentum, welches sich im Gegensatz zu vielen Afrikanischen Pfingstler-Kirchen dadurch auszeichnet, dass die Mehrzahl der Nuer ihre ländlichen Lebensweisen nicht als ‚rückständig’ bezeichnen und dass sich die Beziehungen zwischen Christen und Nicht-Christen trotz gewisser Spannungen insgesamt durch gegenseitige Toleranz und der Verbindung zu einer gemeinsamen Vergangenheit auszeichnen. Ein wichtiger Aspekt dieser Verbindung stellt der Prophet Ngundeng Bong dar, dessen Prophezeiungen gleichermaßen von Christen und Nicht-Christen genutzt werden, um zentrale politische Ereignisse zu erklären. Diese Prophezeiungen, anhand derer die Nuer ihre Vergangenheit erklären, ihre Gegenwart versuchen zu verstehen und sich mit der Zukunft in Beziehung setzen, stellen den erzählerischen Rahmen dar, innerhalb dessen die Dissertation die transnationale Nuer Gesellschaft beschreibt.

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