Techniken zur kommunikativen Herstellung von Gruppenzugehörigkeit. Eine Gesprächsanalyse über Imagearbeit bei Obdachlosen

AutorIn
Olaf Zenker

Verlag
Berlin: dissertation.de

Jahr der Veröffentlichung
2004

ISBN
3-89825-906-4

OPAC

Abstract
Wenn Menschen miteinander kommunizieren, befassen sie sich nicht nur mit der Lösung konkreter Sachprobleme. Vielmehr gestalten sie in und durch Kommunikation auch insgesamt den ‚sinnhaften Aufbau ihrer sozialen Welt’. Dabei erschaffen und sichern sie auch ihre vielfältigen Beziehungen zu anderen Menschen und im Zuge dessen ihre Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen Gruppen. Letzteres bildet den Gegenstand dieser Arbeit, wobei die Bestimmung von verschiedenen bei diesem kommunikativen Prozeß verwendeten Techniken angestrebt wird. Diese Zielsetzung wird durch ein empirisch-induktives Vorgehen verfolgt, indem im Rahmen einer detaillierten Ausschnittsanalyse eines Gesprächs unter Obdachlosen verschiedene Techniken zur kommunikativen Herstellung von Gruppenzugehörigkeit herausgearbeitet werden.Im ersten Teil der Arbeit wird das Untersuchungsthema theoretisch eingebettet und für eine linguistische Gesprächsanalyse operationalisiert. Dafür wird zunächst ein theoretischer Bezug zwischen der kommunikativen Herstellung von Gruppenzugehörigkeit und einer spezifischen Form der ‚Imagearbeit’ nach Goffman abgeleitet, wobei sich letztere auf die Bemühungen von Obdachlosen richtet, Images von sich zu entwerfen, die ihrem Rollenkonzept 'Gruppenmitglied' entsprechen, um dadurch die eigene Zugehörigkeit zu gewährleisten. Darauf aufbauend wird die Frage behandelt, wie sich Imagearbeit für eine pragmalinguistische Analyse konzeptualisieren läßt. Im Rahmen einer Diskussion verschiedener gesprächslinguistischer Ansätze wird Imagearbeit in Sagers erweiterte Sprechhandlungstheorie integriert, die partiell neugefaßt und spezifiziert wird. Anschließend werden die in dieser Arbeit anvisierten Techniken mit analytisch unterscheidbaren strategischen Verknüpfungen von Imagebeiträgen identifiziert, die der Funktion dienen, sich selbst als gutes Gruppenmitglied darzustellen. Abschließend wird der dieser Arbeit verwendete Ansatz einer 'linguistischen Gesprächsanalyse' umrissen, wobei insbesondere auf die Dualität jeder kommunikativen Handlung hinsichtlich ihres Struktur- und Verfahrensmoments abgehoben wird.Im zweiten Teil der Arbeit werden die theoretischen und methodologischen Vorüberlegungen in der empirischen Analyse des Gesprächsausschnitts angewendet, wobei entsprechend eine Struktur- und eine Verfahrensanalyse miteinander verbunden werden. So wird der Ausschnitt zunächst makrostrukturell in drei handlungsfunktional definierte Gesprächssituationen segmentiert und im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegenden Handlungspläne der Beteiligten charakterisiert. Diese Gesprächssituationen werden anschließend jeweils verfahrensanalytisch betrachtet und in zwei Schritten untersucht. Im ersten Schritt wird im Rahmen einer prozeduralen Mikroanalyse die gesamte Imagearbeit systematisch auf ihre kommunikative Entfaltung und wechselseitige Verknüpfung hin analysiert. Im zweiten Schritt werden auf dieser Grundlage nur diejenigen Images herausgefiltert, die einerseits von den Obdachlosen als Selbstbilder entworfen werden und die andererseits als Realisierungen des bei ihnen vorherrschenden Rollenkonzepts 'Gruppenmitglied' gelten können. Diese Selbstbilder werden schließlich auf die ihnen unterliegenden Techniken zur kommunikativen Herstellung von Gruppenzugehörigkeit befragt.Die Arbeit endet mit der Zusammenfassung der gewonnenen Teilergebnisse aus den drei Situationsauswertungen. Dabei zeigt sich, daß für den behandelten Gesprächsausschnitt fünf verschiedene Techniken empirisch nachgewiesen werden können, die sich im Rahmen ihrer Systematisierung in einem Strukturbaum noch auf plausible Weise um eine sechste Technik zur kommunikativen Herstellung von Gruppenzugehörigkeit ergänzen lassen.

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