Humanitarian Visas and the External Dimensions of the EU Asylum and Migration Policy – Ein Tagungsbericht
Am 17. und 18. Mai fand am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung der Workshop „Humanitarian visas and the external dimension of the EU migration and asylum policy“ statt. Die Veranstaltung wurde von Marie-Claire Foblets und Luc Leboeuf vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung sowie Winfried Kluth und Dirk Hanschel von der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg organisiert. Ein Sammelband, der auf den Ergebnissen des Workshops basiert, wird folgen.
Die Teilnehmer des Workshops diskutierten über Spannungen bei den aktuellen Entwicklungen der externen Dimensionen der Asyl- und Migrationspolitik der EU, die anhand von Rechtsstreitigkeiten und -praktiken wie humanitärer Visa, Umsiedlung und humanitärer Korridore untersucht wurden. Der Workshop wurde nach dem Urteil im Fall X und X gegen Belgien organisiert, in dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass er nicht dafür zuständig ist, darüber zu entscheiden, ob das EU-Recht unter bestimmten Umständen die Ausstellung von humanitären Visa vorschreibt, da diese Frage von nationalem Recht und nicht von EU-Recht geregelt wird. Ziel des Workshops war es, die Grenzen des bestehenden rechtlichen Rahmens zu identifizieren und die Möglichkeiten zu untersuchen, die den Gerichtshöfen zur Verfügung stehen, um die externen Aspekte der EU-Migrations- und -Asylpolitik zu regeln. Darüber hinaus ging es darum, wie Mobilität unter Beachtung der Menschenrechte geregelt werden kann.
Die Grenzen des internationalen und europäischen Rechtsrahmens für humanitäre Visa
In seinem Eröffnungsvortrag betonte Luc Leboeuf, wie Rechtsstreitigkeiten über humanitäre Visa die Spannungen in den aktuellen Entwicklungen der externen Asyl- und Migrationspolitik der EU widerspiegeln. Die Politik versucht, einen Ausgleich zwischen der Achtung von Menschenrechten und dem Bedürfnis nach Sicherheit zu finden, und stellt dabei die Aufteilung der Zuständigkeit zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten in Frage. Die Diskussionen im ersten Panel, das von Burkhard Hess (Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law) moderiert wurde, drehten sich um die internationale und europäische Gesetzgebung zu humanitären Visa. In seinem Vortrag zeigte Dirk Hanschel (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) die territorialen Grenzen internationaler Menschenrechtsverpflichtungen auf. Ergänzend dazu nahm Nico Mol (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR) die Rechtsprechungen des EGMRs zu humanitären Visa in den Blick. Stephanie Law (Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law) beschrieb den Geltungsbereich der EU-Grundrechtecharta und wie sie sich von internationalen Menschenrechtsabkommen unterscheidet: Die Grundrechtecharta muss von Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung von EU-Gesetzen geachtet werden, auch wenn es sich um eine extraterritoriale (außereuropäische) Anwendung handelt. Sylvie Sarolea (University of Louvain – UCL) analysierte den Fall X und X und stellte fest, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil das sogenannte „Paradoxon des Fußes in der Tür“ außer Acht gelassen habe. Dieses Phänomen entsteht dadurch, dass nur diejenigen Asylsuchenden, die bis ins EU-Gebiet gelangen, unter dem Schutz des internationalen und des EU-Asylrechtes stehen. In der folgenden Diskussion wurden die Grenzen der rechtlichen Regeln, die die Menschenrechte schützen und des EU-Rechts bei der externen EU-Asyl und-Migrationspolitik hervorgehoben. Sie zeigte weiterhin die begrenzten Handlungsmöglichkeiten der Gerichte in Anbetracht des rechtlichen Rahmens und des größeren politischen Kontexts. Zu dem auch gehört, dass die Mitgliedstaaten sich nicht verpflichten wollen, Asylsuchenden Schutz zu bieten, die das Staatsgebiet noch nicht erreicht haben.
Abendvortrag und Podiumsdiskussion mit François Crépeau
Am Abend hielt François Crépeau (Hans & Tamar Oppenheimer Chair in Public International Law an der McGill University, International Francqui Professor an der Université catholique de Louvain und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten) einen öffentlichen Vortrag an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Thema Mobilität und Menschenrechte. Neue Formen der Migrationspolitik, die die Mobilität fördern, seien nötig, statt das illusorische Ziel geschlossener Grenzen weiter zu verfolgen, so Crépeau. Er zeigte, dass ein Konzept, das die Rechte von Migranten stärkt, eine solche Politik unterstützen könnte. Im Anschluss daran moderierte Marie-Claire Foblets eine Podiumsdiskussion. Die Teilnehmer – Constantin Hruschka (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik), Sylvie Sarolea und Daniel Thym (Universität Konstanz) – betonten dabei die schutzlose Lage von Migranten in den Gastländern sowie das legitime staatliche Interesse, Einwanderung zu kontrollieren. Nach der Podiumsdiskussion hatte das Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Humanitäre Visa in der Praxis
Am zweiten Tag beschrieb Tristan Wibault (Barreau de Bruxelles) seine Erfahrungen als Anwalt für eine Familie syrischer Asylsuchender im Fall X und X. Obwohl der Begriff der „strategischen Prozessführung“ anscheinend auf eine aktive und umfassende Strategie mit dem Ziel, die Rechtsgrundlage zu ändern, hindeutet, reagieren jedoch Rechtsanwälte in der Praxis häufig auf die jeweiligen Entwicklungen im Prozessverlauf. Die darauf folgende Podiumsdiskussion, die von Winfried Kluth (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) geleitet wurde, beschäftigte sich mit den Rechtsgrundlagen und Praktiken von humanitären Visa in drei EU-Mitgliedsstaaten sowie in der Schweiz (die als Staat des Schengen-Raums von der EU-Migrationspolitik betroffen ist). Die Vorträge hielten Constantin Hruschka, Katia Bianchini (Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften), Pauline Endres de Oliveira (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Serge Bodart (Belgian Council for Aliens Law Litigation) über die jeweiligen Rechtsrahmen in der Schweiz, Italien, Deutschland und Belgien. Dabei wurde die Vielfalt der Ansätze und Rechtstraditionen deutlich: In der Schweiz ist beispielsweise das humanitäre Visum in den nationalen Rechtsvorschriften verankert, in Italien dagegen werden humanitäre Korridore jeweils ad hoc organisiert.
Auf dem Weg zu neuen Formen des Mobilitätsmanagements?
Am Nachmittag hielt François Crépeau einen Vortrag, in dem er anhand des Beispiels der Patenschaftsprogramme in Kanada für die Einbettung von humanitären Visa in ein umfassenderes Governance-Konzept plädierte, denn nur so könnten sie ihre Wirkung entfalten. Er betonte die Rolle der Global Compacts (der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration und der Globale Pakt für Flüchtlinge, die zur Zeit von der EU erarbeitet werden) für die Erschaffung des erforderlichen Rahmens, um internationale Verträge zur Förderung der Mobilität zu verhandeln. Im nachfolgenden Panel, moderiert von Marie-Claire Foblets, wurde das Thema Mobilität weiterdiskutiert. Daniel Thym bekräftigte, dass ein Dialog mit Entwicklungsländern notwendig sei, um das Management von Mobilität zum beiderseitigen Vorteil zu gestalten. Zugleich aber warnte er vor negativen Reaktionen der europäischen Öffentlichkeit auf Vorschläge für eine weite Auslegung von Menschenrechten, die sich gegen Grenzkontrollen richtet. Als Beispiel eines Ansatzes zur Förderung von Mobilität und Entwicklung stellte Karel Uyttendaele sein Circular Migration Project vor. Sophie Nakueira (Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung) präsentierte die Ergebnisse ihrer Feldforschung in einem Flüchtlingslager in Uganda, auf deren Grundlage sie die Fallstricke aktueller Umsiedlungsprogramme dokumentierte und analysierte. Catharina Ziebritzki (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht) erläuterte die Rechts- und Umsetzungsfragen des EU-Türkei-Abkommens, in dem die Türkei in die Rückführung von Asylsuchenden einwilligte, die auf irregulärem Weg von der Türkei aus in die EU gelangen. Zum Schluss betonte Jean-Yves Carlier (Université catholique de Louvain), dass die EU sich mit der externen Migrations- und Asylpolitik auseinandersetzen und zugleich einen minimalen aber dennoch robusten Rahmen zum Schutz der Menschenrechte sicherstellen muss.
Die Herausforderungen der Zukunft
Der Workshop leistete einen Beitrag zum Verständnis der Paradoxien und Grenzen der Rechtsgrundlage in Bezug auf die Asyl- und Migrationspolitik der EU. Im Laufe der Diskussionen wurde deutlich, dass weitere internationale Dialoge und Kooperationen zu Migrationsthemen notwendig sind, um eine Form des Mobilitätsmanagements zu entwickeln, die sowohl der EU als auch der breiteren internationalen Gemeinschaft zugutekommt. Es wurde auch auf die künftigen Herausforderungen hingewiesen, die sich zum einen wegen des Zögerns der EU-Mitgliedsstaaten und der europäischen Öffentlichkeit, die Migration nach Europa zu unterstützen und zum anderen wegen der divergierenden Interessen des Globalen Nordens und Südens, noch zuspitzen werden.