Muslimische Alltagspraxis und islamische Rechtsdogmatik

5. November 2018

Am 9. und 10. November findet am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung eine Konferenz mit dem Titel „Law, Islam and Anthropology“ statt. Auf der Konferenz werden Ethnologinnen, Ethnologen, Juristinnen, Juristen, Islamwissenschaftlerinnen und Islamwissenschaftler anhand von einigen empirischen Studien zu Themen wie Konfliktregulierung, Familienrecht und Kreditfinanzierung darüber diskutieren, welche Rolle islamisches Rechtsverständnis und moralische Erwartungen im Alltag von muslimischen Gläubigen spielen. Dabei wird es auch darum gehen, wie sich hergebrachtes islamisches Regelwerk durch die Auslegung unterschiedlicher Interessengruppen ausdifferenziert und wandelt. Die Konferenzsprache ist Englisch.

Die Scharia – kein homogenes religiöses Regelwerk
Das Leben von Muslimen gilt weithin als streng geregelt und bis in kleine Details der Lebensführung hinein festgelegt. Autoritäten wachen über die Interpretation religiöser Normen und deren korrekte Umsetzung im Alltag. Viel Spielraum bei der Ausübung ihres Glaubens scheint es für Muslime nicht zu geben. „Diese Vorstellung von islamischen Vorgaben eines religiösen Lebens entspricht aber nicht notwendiger Weise der alltäglichen Lebensweise von Musliminnen und Muslimen“, sagt Dr. Hatem Elliesie vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. „Denn der Islam und das, was als islamisches Recht verstanden wird, werden in weiten Teilen der Welt auch von der Alltagspraxis muslimischer Gläubiger bestimmt, die einen Weg zwischen religiösen Regeln und beispielsweise den Anforderungen in Beruf oder Familie finden müssen.“ Die Konferenz „Law, Islam and Anthropology“ wird gemeinsam von der Abteilung ‚Recht & Ethnologie‘ am MPI, der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR) und der niederländischen Vereinigung zur Erforschung des Rechts des Islam und des Mittleren Ostens (RIMO) organisiert.

Islamische Regeln im Alltag moderner Gesellschaften
In zahlreichen europäischen Ländern hat sich in den vergangenen Jahren eine häufig emotional geführte Diskussion über den Einfluss der islamischen Kultur und der Scharia – dem religiösen und rechtlichen Normensystem des Islam – entwickelt. „Wir wollen mit unserer Konferenz, auf der wir empirische Studien zur Entwicklung islamischer Rechts- und Moralvorstellungen präsentieren, zur Versachlichung dieser Diskussion beitragen“, sagt Elliesie. „Was uns im Besonderen interessiert, ist, wie Muslime in Gesellschaften leben, in denen zur selben Zeit unterschiedliche Ordnungsverhältnisse, Regelungskomplexe und Rechtsquellen sowie mehrere juristische Systeme nebeneinander und überlappend existieren. Denn diese Fragen werden nicht nur die deutsche Gesellschaft durch den sich abzeichnenden gesellschaftlichen Wandel in Zukunft beschäftigen.“

Erforschung des globalen sozialen Wandels
Das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung ist eines der weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Ethnologie (Sozialanthropologie). Es hat seine Arbeit 1999 mit den Gründungsdirektoren Prof. Dr. Chris Hann und Prof. Dr. Günther Schlee aufgenommen und 2001 seinen ständigen Sitz im Advokatenweg 36 bezogen. Mit Ernennung der Direktorin Prof. Dr. Marie-Claire Foblets im Jahre 2012 wurde das Institut um eine Abteilung zum Themenfeld ‚Recht & Ethnologie‘ erweitert. Forschungsleitend ist die vergleichende Untersuchung gegenwärtiger sozialer Wandlungsprozesse. Besonders auf diesem Gebiet leisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Institutes einen wichtigen Beitrag zur ethnologischen Theoriebildung. Sie befassen sich darüber hinaus in ihren Projekten oft auch mit Fragestellungen und Themen, die im Mittelpunkt aktueller politischer Debatten stehen. Am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung arbeiten gegenwärtig 175 Wissenschaftler aus über 30 Nationen. Darüber hinaus bietet das Institut zahlreichen Gastwissenschaftlern Raum und Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch.


Zum Programm der Konferenz

Informationen zur Abteilung ‚Recht & Ethnologie‘

Informationen zum Forschungsprojekt „Scharia in genuin europäischen Settings: Konnex muslimischer Lebenspraxis zu islamischer Normativität“:


Kontakt für diese Pressemitteilung
Prof. Dr. Marie-Claire Foblets
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Abteilung ‚Recht & Ethnologie’
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-301
Mail: foblets@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de/foblets

Dr. Hatem Elliesie
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Wissenschaftlicher Leiter der Projekte
‚Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft‘ und ‚Scharia in genuin europäischen Settings: Konnex muslimischer Lebenspraxis zu islamischer Normativität‘
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-316
Mail: elliesie@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de/elliesie

Kontakt für die Presse
Stefan Schwendtner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-425
Mail: schwendtner@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de

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