Konferenzbericht: "Financialisation Beyond Crisis: Connections, Contradictions, Contestations”

26. November 2018

In knapp drei Tagen intensiven Austauschs wurden vom 10. bis 12. September am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung über die fachlichen Grenzen von Anthropologie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre hinweg sechzehn Vorträge zu einem breiten Spektrum von Fragen rund um den Themenkomplex der Finanzialisierung diskutiert.

Der Eröffnungsvortrag wurde von Deborah James (School of Economics) gehalten. Sie beschrieb und verglich Mechanismen zum Umgang mit der Verschuldung privater Haushalte in Großbritannien und Südafrika. Während sie vom Standpunkt der Ethnografin her argumentierte, dass kapitalistische Finanzinstitutionen durch „Umverteilung“ auf der Mikroebene der Gesellschaft erheblich verändert werden können, stellte Don Kalb in seiner eigenen Keynote am Ende des zweiten Tages die Finanzmärkte auf der Makroebene einerseits in den Kontext einer historisch informierten Darstellung der kapitalistischen Akkumulation und andererseits in den Kontext der Entwicklung anthropologischer Theorien. Die meisten Mitwirkenden (darunter die sechs Postdocs, die in den letzten drei Jahren gemeinsam am MPI im Projekt „Financialisation“ gearbeitet hatten) haben aber die Bezugnahme auf abstrakte Theorien vermieden, um sich auf ihr empirisches Material zu konzentrieren, das aus Forschungen auf der ganzen Welt stammte. Die Themen reichten vom Rückgang wohlfahrtsstaatlicher Leistungen in Indien (Sohini Kar) über den norwegischen Ölfonds (Knut Christian Myhre) und islamische Banken in Malaysia (Aaron Pitluck) bis hin zu aktuellen Formen des wirtschaftlichen Nationalismus in der Türkei (Fırat Kurt). Die Mehrheit der Beiträge bot Beschreibung und Analyse auf der Ebene lokaler Gemeinschaften und ihrer jeweiligen privaten Haushalte. Viele der Vortragenden schenkten dem Widerstand der Akteure große Aufmerksamkeit. Die Themen reichten von wechselnden diskursiven Konstellationen der städtischen Unterschicht in Großbritannien (Ryan Davey) bis hin zu organisierten Mieterrebellionen in Spanien (Jaime Palomera). Am letzten Morgen der Konferenz wurden das Themenfeld durch Gavin Smith, der (nicht zum ersten Mal bei uns) die Abschlussdiskussion hervorragend leitete, und den Soziologen Richard Robbins erweitert. Robbins stellte nicht nur eine originelle Konzeptualisierung von „Geldströmen“ vor, sondern erinnerte auch an die grundlegende Bedeutung von Metaphern und rhetorischen Redewendungen für die Konstruktion wirtschaftlichen Wissens. Darüber hinaus lieferten mehrere eingeladene Diskussionsteilnehmer wertvolle Beiträge, die die Diskussionen bereicherten: Stephen Gudeman, Hadrien Saiag, James Carrier und Laura Bear (in Abwesenheit).

Mit dieser Veranstaltung, die auch Kollegen von außerhalb und aus anderen Abteilungen des Instituts anzog, wurde das dreijährige Projekt „Financialisation“ abgeschlossen (obwohl zwei der Postdocs, Tristam Barrett und Natalia Buier, noch bis zum Frühjahr 2019 am MPI forschen werden). Chris Hann und Don Kalb werden nun die Papers für einen Band der Reihe „Max Planck Studies in Anthropology and Economy“ (Berghahn Books) vorbereiten.

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