Financialization and the Production of Nature – Workshop-Bericht
Am 7. Februar 2019 fand der Workshop “Financialization and the Production of Nature: New Frameworks for Understanding the Capital-Society-Nature Nexus” am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle (MPI) statt. Er wurde von Natalia Buier, MPI, und Jaume Franquesa, University at Buffalo – SUNY, organisiert.
Aufbau eines Dialogs in einer fragmentierten Forschungslandschaft
An dem eintägigen Workshop nahmen Ethnologen teil, die zu Eingriffen in die Natur und zur Transformation der Umwelt forschen. Sie betrachteten, Fragen der Energie- und Infrastrukturentwicklung mit einem ganzheitlichen Ansatz, um die weitverbreitete Spezialisierung in Teilgebiete der Umweltforschung zu überwinden. Die Vorträge konzentrierten sich deshalb auf den Zusammenhang von ökologischer Transformation und zeitgenössischen Formen der ökonomischen Wertschöpfung. Ein wichtiger Aspekt dabei war der Bezug zu den Debatten über das Anthropozän und das Kapitalozän. Ziel des Workshops war es, ein historisch-materialistisches Programm für die sozialanthropologische und ethnographische Erforschung von Umweltproblemen zu entwickeln.
Ethnologie und Umweltforschung
Nach einer kurzen Begrüßung durch Professor Chris Hann gaben die Organisatoren des Workshops einen Überblick zu den theoretischen Diskussionen, die zum Thema des Workshops geführt haben. Natalia Buier und Jaume Franquesa wiesen auf die Beiträge hin, die die Ethnologie und historische Ethnographie zur Erforschung der Umwelt geleistet haben, und gingen der Frage nach, in welchem Verhältnis Ethnologie und politische Ökologie stehen. Sie betonten die Diskontinuitäten im marxistischen Engagement für die ethnologische Erforschung der Umwelt und plädierten dafür, das steigende Interesse der Ethnologen an den materiellen und ökologischen Verhältnissen mit den analytischen Werkzeugen der Wirtschaftsethnologie zu verknüpfen. Im darauf folgenden Vortrag präsentierte Lela Rekhviashvivili vom Leibniz-Institut für Länderkunde ihre Forschung zur Verkehrsinfrastruktur. Sie wies dabei auf die Chancen einer interdisziplinären Zusammenarbeit an der Schnittstelle von kritischer Geographie und Ethnologie hin und hob die Stärke der Polanyischen Tradition auf diesem Gebiet hervor.
Technologische Lösungen für den Umgang mit der Kohlenstoffökonomie
Im ersten Panel präsentierten Charlotte Bruckermann und Theodora Vetta ihre Forschungsergebnisse. Bruckermann untersuchte die Probleme technologischer Lösungen im Kontext kapitalistischer Utopien am Beispiel des chinesischen Projekts "Low-Carbon-Life". Vetta betrachtete das Problem der Kohlenstoffwirtschaft aus einem anderen Blickwinkel und berichtete über die Arbeitskämpfe in Griechenland, deren Auslöser der doppelte Übergang von der Energiegewinnung aus Kohlenstoff zu erneuerbaren Energien und vom öffentlichen zum privaten Eigentum im Energiesektor waren.
Einfluss der Energiewirtschaft auf die Gesellschaft
Der Nachmittag begann mit Präsentationen von Sergiu Novac und Jaume Franquesa. Beide Redner gingen auf gesellschaftliche Probleme ein, die von der Energiewirtschaft verursacht werden. In einer Fallstudie zur Abschaltung des Kernkraftwerks Greifswald betrachtete Novac die Stilllegung als Prozess, bei dem Abfall produziert wird und wies auf die sozialen Folgen des von Experten geleiteten Projekts der Renaturierung des Kraftwerkgeländes hin. Franquesa beschäftigte sich mit dem Einfluss, den die Wertschöpfung durch Windenergie auf die Umwelt in Spanien hat und berichtete vom sozialen Widerstand gegen die Energiewirtschaft, der sich auf eine antikapitalistische Bewertung der Umwelt beruft.
Arbeit und industrielle Entwicklung
Im letzten Panel des Tages untersuchten Natalia Buier und Antonio Maria Pusceddu die geographischen Dimensionen der Deindustrialisierung und fragten nach grundsätzlichen Alternativen zu einer industriellen Entwicklungspolitik. Buiers Beitrag befasste sich mit der Entwicklung der spanischen Hochgeschwindigkeitsbahn und der vom Staat subventionierten, technologischen Modernisierung als Bestandteile der generellen industriellen Umstrukturierung. Anhand der Stadt Brindisi und der Umweltverschmutzung in dieser Region betrachtet Pusceddu die Geschichte der Arbeiter als Umweltakteure in Süditalien und wies auf die Widersprüche hin, die an der Schnittstelle von Umwelt- und Klassenpolitik entstehen.
Dekonstruktion überlieferter Kategorien
In seinem Abschlussvortrag betonte Don Kalb die Bedeutung ethnologischer Konzepte und die Art und Weise, wie die ethnographische Forschung zu einem Verständnis der historischen Transformation kapitalistisch geprägter Gesellschaftsformen beitragen kann. Er wies dabei besonders auf die analytische Stärke von Konzepten wie Dialektik, Werte und soziale Ungleichheit für die ethnographische Untersuchung zeitgenössischer Umweltveränderungen hin. Ausgehend von den Beiträgen der Workshopteilnehmer ging es in seinem Vortrag schließlich darum, wie alle Vorträge zu einer Dekonstruktion der gängigsten Kategorien des Umweltdiskurses beitragen können. Der Tag endete mit einer fruchtbaren Diskussion über die Vorbereitung einer Publikation auf der Grundlage der Vorträge der Teilnehmer.