Transformative Intermediäre

Entgegen Prognosen, dass technische Innovationen Intermediäre ablösen werden, sind wirtschaftliche Abläufe in vielen Sektoren heute stärker vermittelt als je zuvor. Zu den vermittelnden Instanzen zählen menschliche Akteure, materielle Infrastrukturen sowie Technologien, insbesondere Algorithmen. Intermediation ist keinesfalls neutral oder passiv: Intermediäre verwandeln unser Leben durch die Transformation der Mittel der Intermediation. Beispielsweise werden digitale Plattformen zur einer neuen Grundlage für Profit und Macht, indem sie Vermittlungsaktivitäten konzentrieren, hochskalieren und physisch konkretisieren. Ist die Intermediation ein elementarer Modus der sozioökonomischen Organisation im 21. Jahrhundert, vergleichbar mit anderen bewährten Organisationsprinzipien wie Reziprozität, Umverteilung, Netzwerke oder Hierarchien? Werden Produktionsmittel und legitime Gewalt durch Vermittlung als bestimmendes Element der politischen Ökonomie abgelöst?


Transformative Intermediäre spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der aktuell stattfindenden globalen Neuausrichtung der Wirtschaft, die unter anderem durch Spannungen innerhalb der Europäischen Union, Chinas Initiative zur „Neuen Seidenstraße“ und die drohende Entkoppelung von China und den Vereinigten Staaten vorangetrieben wird. Politiker können massive Änderungen in Migration, Handel und technologischer Zusammenarbeit herbeiführen, jedoch vergessen die Entscheidungsträger*innen oft, dass es sich hier immer um vermittelte Prozesse handelt, die ihre eigenen dauerhaften Infrastrukturen geschaffen haben. Wie werden transnationale Personalvermittler*innen und Bildungseinrichtungen auf die zunehmend migrationsfeindlichen Bedingungen reagieren? Welche neuen Handelswege und Logistikmuster werden Broker der Migration im Fall einer wirtschaftlichen Renationalisierung erschaffen?

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