Auf dem Weg zu einem verständlichen Migrationsrecht
MPI-Forschungsgruppenleiter Luc Leboeuf leitet zusammen mit Dirk Vanheule, Professor an der juristischen Fakultät der Universität Antwerpen, eine beratende Expertenkommission zur Überarbeitung des Migrationsrechts in Belgien. Die Kommission wurde vom belgischen Staatssekretär für Asyl und Migration eingesetzt. Wir haben mit Luc Leboeuf über seine Arbeit in der Kommission gesprochen.
Luc, wie kam es dazu, dass Du einer der Vorsitzenden der Kommission zur Überarbeitung des Migrationsrechts wurdest?
Vertreter der belgischen Regierung haben mich gefragt, ob ich bereit wäre, zusammen mit Dirk Vanheule den Vorsitz dieser Kommission zu übernehmen. Diese Chance war eine einmalige Gelegenheit, um bei der Verbesserung des Migrationsrechts mitzuwirken und damit die Rechtssicherheit in Belgien zu erhöhen. Ich habe gern zugesagt.
Warum muss das belgische Migrationsrecht überarbeitet werden?
Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1980 und wurde seitdem mehr als 100 Mal geändert. Diese Änderungen waren nicht immer gut aufeinander abgestimmt. So ist der Gesetzestext immer verwirrender und uneinheitlicher geworden, und die Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung sind übermäßig komplex und kompliziert geworden. Deshalb ist das Gesetz jetzt einfach nicht mehr in einem akzeptablen Zustand.
Was hat dieser schlechte Zustand des Gesetzes für Auswirkungen?
Diejenigen, die sich tagtäglich mit den Gesetzen auseinandersetzen – Richter, Rechtsanwälte, Regierungsbeamte, humanitäre Organisationen, Sozialarbeiter und die Migranten selbst –, müssen sich auf leicht lesbare und verständliche, transparente und kohärente Vorschriften verlassen können. Deshalb fordern sie seit mehr als einem Jahrzehnt ein umfassendes und einheitliches Migrationsgesetzbuch.
Wie kann die Kommission dazu beitragen, die Unzulänglichkeiten und Unstimmigkeiten im Gesetz zu beseitigen?
Die Mitglieder der unabhängigen Expertenkommission – Dirk Vanheule und ich sowie sechs weitere unabhängige Fachleute – haben Leitlinien erarbeitet, die den Beamten bei der Ausarbeitung des Migrationsgesetzes helfen sollen. Ziel dieser Leitlinien ist es, die Qualität des Gesetzes und seine Kohärenz zu verbessern und die bestehenden Verfahren so zu straffen, dass die Rechte der Migranten gewahrt werden.
Wie hat die Kommission diese Leitlinien entwickelt?
Wir haben mit rund 90 Interessengruppen gesprochen. Darunter waren Organisationen der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Verwaltung, die in der Praxis täglich mit dem Gesetz arbeiten. Wir haben sie alle nach ihren Bedürfnissen und Erfahrungen gefragt. Die Kommission wird außerdem von einer Arbeitsgruppe unterstützt, der sechs Mitarbeiter aus den wichtigsten für die Umsetzung der Migrationsgesetze zuständigen Regierungsstellen angehören. Sie liefern regelmäßig Beiträge zur Implementierung der von der Kommission erarbeiteten Vorschläge und Lösungen. Es war wichtig für uns, nicht in unserer eigenen akademischen Blase zu denken, die keine Verbindung zum Gesetz in der praktischen Anwendung hat.
Hat sich dieses Verfahren bewährt?
Ja, auf jeden Fall. Die Diskussionen mit anderen Experten haben uns geholfen zu verstehen, wo die Probleme liegen und auf welche Aspekte wir bei der Überarbeitung ganz besonders achten müssen.
Wann wird die Arbeit der Kommission abgeschlossen sein, und wann soll das neue Gesetz in Kraft treten?
Das ist eine schwierige Frage. Denn es ist kaum möglich, den genauen Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vorherzusagen. Aber die Regierung erwartet, dass wir unsere Arbeit bis Ende 2022 abschließen.