Tagungsbericht „Buddhismus im Anthropozän“

29. August 2022

Vom 13. bis 15. Juli 2022 fand am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung ein Workshop mit dem Titel "Buddhismus im Anthropozän" statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Jovan Maud vom MPI und Saskia-Abrahms Kavunenko, einer ehemaligen MPI-Mitarbeiterin, die jetzt am Zentrum für zeitgenössische buddhistische Studien der Universität Kopenhagen tätig ist.

Reaktionen auf die Krisen
Diese multidisziplinäre Veranstaltung brachte eine internationale Gruppe von Anthropologen, Geographen, Historikern und Religionswissenschaftlern zusammen, um die Art und Weise zu diskutieren, wie Buddhisten auf der ganzen Welt auf die Klimakrise, Umweltzerstörung und andere mit dem Anthropozän verbundene Phänomene reagieren. Anhand von Fallstudien aus Sri Lanka, Indien, Nepal, China, Australien, Taiwan, Vietnam und dem Vereinigten Königreich wurde erörtert, wie buddhistische Praktizierende und Gemeinschaften den immensen Einfluss des Menschen auf globale Umweltprozesse begreifen und damit umgehen.

Mobilisierung spiritueller Ressourcen
Ein durchgängiges Thema des Workshops war die Art und Weise, wie buddhistische Vorstellungen oder Grundlagen verschiedene Arten von Umweltinterventionen begleiten. So wurde beispielsweise darüber diskutiert, wie Umweltaktivisten in Großbritannien buddhistische Ideen und Praktiken bei ihren Protesten gegen den Klimawandel einsetzen, wie eine buddhistische Wohltätigkeitsstiftung in Taiwan Recycling in die spirituelle Praxis ihrer Mitglieder integriert hat oder wie Buddhisten in Westaustralien aktiv versuchen, die lokalen Pflanzen- und Tierpopulationen zu regenerieren. An anderer Stelle erfuhren wir, wie die Vorstellung von einer belebten Landschaft, die von spirituellen Wesen bevölkert ist, die Lebenswelt buddhistischer Gemeinschaften prägt und die Grundlage für den Widerstand gegen umweltzerstörerische Entwicklungsprojekte in Nordindien bildet, oder wie die Regierung Sri Lankas im Rahmen ihrer internationalen Klimaschutzverpflichtungen Waldmönche zur Unterstützung ihrer Waldregenerierungsprogramme einsetzt.

Ambivalenz buddhistischer Interventionen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren auch darum bemüht, nicht davon zu sprechen, dass buddhistische Praktiken unter Umweltgesichtspunkten immer gut sind. Die Paradoxien und Ambivalenzen der spirituellen Praxis und des Umweltschutzes waren daher ein häufiges Thema des Workshops. Einige Beiträge befassten sich mit der manchmal problematischen Beziehung buddhistischer Praxis zu Materialität und Abfall. Zum Beispiel damit, wie Buddhisten in ihrem rituellen Leben mit neuen Materialien wie Plastik und Beton umgehen, einschließlich der Art und Weise, wie die zunehmende Verwendung von rituellen Objekten aus Plastik neue Dilemmata für Buddhisten im indischen Himalaya schafft. In einem anderen Beitrag wurde über die zunehmende Beliebtheit von "Umwelt"-Ritualen in China berichtet, wie beispielsweise das Freilassen von Fischen als Zeichen des Mitgefühls für andere Lebewesen, die jedoch oft äußerst negative Folgen für die Umwelt haben.

Kein Rückzug aus der Welt
Insgesamt trugen die Beiträge des Workshops dazu bei zu zeigen, wie unterschiedlich die buddhistischen Reaktionen auf das Anthropozän sind. Sie machten aber auch deutlich, dass buddhistische Gruppen und Einzelpersonen sich nicht von der Welt zurückziehen, um sich mit spirituellen Aktivitäten beschäftigen, sondern sich auf unterschiedliche Weise mit den materiellen Folgen menschlicher Aktivitäten in der Welt auseinandersetzen – im Guten wie im Schlechten. Ausgewählte Beiträge des Workshops werden nun für eine Sonderausgabe des Journal of Global Buddhism überarbeitet.

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