Workshop-Bericht “Gender, Migration, and Social Mobility among Transnational West African Women”

14. November 2022

Vom 26. bis 28. Oktober 2022 fand am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung der Auftaktworkshop der Otto-Hahn-Forschungsgruppe "Gender, Migration, and Social Mobility among Transnational West African Women" statt. Die Veranstaltung wurde von Anaïs Ménard und Jacqueline Knörr organisiert.

Vorwärtskommen
Der Workshop brachte eine internationale Gruppe von Sozialwissenschafterinnen und Sozialwissenschaftlern zusammen, die sich damit befassten, welche Erfahrungen westafrikanische Migrantinnen in Europa machen und welchen Herausforderungen sie in einem zunehmend von sozioökonomischen Krisen geprägten Umfeld gegenüberstehen. Anhand von Fallstudien aus Kamerun, Gambia, Ghana, Guinea, Senegal und Sierra Leone diskutierten sie über Strategien, die westafrikanische Frauen verfolgen, um sich im Ausland eine Existenz aufzubauen, sich Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen zu erarbeiten und Projekte und Unternehmen in ihrer Heimat zu verwirklichen.

Übertragung und Leistung
Ein Thema, das in den Diskussionen breiten Raum einnahm, war, wie es gelingen kann, den erreichten sozialen Status zu bewahren. Die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer untersuchten die Ressourcen, mit denen westafrikanische Migrantinnen soziales, wirtschaftliches und symbolisches Kapital erwerben. Sie befassten sich mit den Strategien, die Migrantinnen verfolgen, um mit der Vielzahl von Einschränkungen umzugehen, denen sie aufgrund ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Zugehörigkeit begegnen. Dabei betonten sie den Zusammenhang zwischen den individuellen Fähigkeiten, sich an unterschiedliche soziokulturelle Umgebungen anzupassen und den besonderen Bedingungen des Migrantinnen-Lebens in der jeweiligen Aufnahmegesellschaft. In Ländern wie Frankreich, in denen die Chancen für einen sozialen Aufstieg in den letzten zwanzig Jahren gesunken sind, laufen Migrantinnen zunehmend Gefahr, ihre hart erkämpften Errungenschaften zu verlieren und in eine prekäre Lage zu geraten. Deshalb ist für sie die Wahrung sozialer Mobilität von großer Bedeutung und aus diesem Grund spielten in vielen Diskussionsbeiträgen sowohl die Erwerbsarbeit als auch die emotionale Arbeit eine große Rolle, die zum langfristigen Erhalt sozialer Mobilität erforderlich sind. Ein Beispiel von gambischen Frauen im Vereinigten Königreich veranschaulichte, wie sie individuelle langfristige Mobilitätsstrategien über Grenzen und Generationen hinweg entwickelt haben. Anhand eines Beispiels von Frauen aus Kamerun, die in Deutschland leben, konnten Familienbeziehungen, Freundschaften und berufliche Bindungen als Schlüsselelemente sozialer Mobilität identifiziert werden. Die Vorträge über die Migration nach Deutschland eröffneten auch Diskussionen über Prozesse der Rassifizierung im Leben von Frauen, einschließlich der Erkenntnis, bei der Ankunft in Europa "schwarz" geworden zu sein.

Remigration und Investitionen in die „Heimat“
Der Workshop beschäftigte sich insbesondere damit, wie Frauen in verschiedenen Lebensphasen zwischen Europa und Westafrika pendeln und mit der damit einhergehenden komplexen Erfahrung der Remigration. Das sozioökonomische, bildungsbezogene und symbolische Kapital, das Frauen in Europa erwerben, nutzen sie unter anderem dafür, um ihren Status in der Heimat zu verbessern. Die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten darüber, wie im Ausland ausgebildete Migrantinnen in ihren Herkunftsländern soziale Innovationen anstoßen, indem sie beispielsweise private Pflegeunternehmen gründen. Ein anderer Beitrag untersuchte die Beteiligung von Frauen aus Guinea an Secondhand-Bekleidungsgeschäften und den daraus resultierenden höheren Status, den sie durch ihren neu erworbenen Wohlstand erlangten. Eine weitere Fallstudie untersuchte ghanaische Frauen, die in Länder des Nahen Ostens wie Dubai auswandern, und das damit verbundene besonders hohe Risiko des Scheiterns und der Ausbeutung.

In die Mittelschicht aufsteigen?
Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema war die Relevanz und Eignung des Begriffs "Mittelschicht" als eine Kategorie, die die Erfahrungen von Migrantinnen erfasst. Die Beiträge machten deutlich, dass westafrikanische Migrantinnen keine homogene Gruppe sind; sie befinden sich in unterschiedlichen beruflichen Kontexten und stehen aufgrund ihrer jeweiligen sozioökonomischen Lage, Bildung und Migrationskontexte vor unterschiedlichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Ihre individuellen Strategien zielen darauf, das hart erarbeitete Kapital zu sichern und zu erhalten und den sozialen Status zu verbessern. In vielen Fällen konzentrierten sich die Strategien jedoch in erster Linie auf die Vermeidung von Scheitern und Prekarität. Für viele Migrantinnen ist ein hoher Status in Diasporanetzwerken nicht unbedingt mit der Zugehörigkeit zu einer europäischen "Mittelschicht" gleichzusetzen. Migrantinnen befinden sich oft in einer paradoxen Situation: Sie können in ihrer Heimat und in den Diaspora-Netzwerken einen relativ hohen Status erreichen, während sie in der Gesellschaft des Aufnahmelandes ein relativ niedriges Einkommen und einen relativ niedrigen Status haben.

 

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