Working Paper 199
Titel
Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft: „Paralleljustiz“? – Konzeptioneller Rahmen eines Forschungsprojekts
Autor*innen
Hatem Elliesie, gemeinsam mit Marie-Claire Foblets, Mahabat Sadyrbek und Mahmoud Jaraba
Abteilung
Abteilung ‘Recht & Ethnologie’
Jahr der Veröffentlichung
2019
Seiten
25
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Working Paper 199
Abstract
Dieses Working Paper legt die konzeptionellen Konturen des in der Abteilung ‚Recht & Ethnologie‘ des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung angesiedelten Forschungsprojektes „Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft“ vor der Feldforschung der Teilprojektvorhaben im Jahre 2019 dar. Ziel der Forschung ist es, durch eine multiperspektivisch angelegte Betrachtungsweise ausgewählte ethnisch und/oder religiös geprägte Einwanderungsgemeinschaften in ihren spezifischen Lebenswelten in der Bundesrepublik Deutschland in den Blick zu nehmen. Der Fokus des Gesamtprojekts liegt dabei auf Ausprägungen von Konfliktkonstellationen, die aus staatlicher Sicht im Grundsatz ein zivil- und/oder strafrechtliches Substrat ausweisen. Die Teilprojekte, die jeweils Lebenswelten ausgewählter Einwanderungsgemeinschaften in den Blick nehmen, sollen dabei möglichst komparativ ausgestaltet sein, und ausgehend von jeweils unterschiedlichen Ansätzen Akteur*innen, deren Rechtsbewusstsein und Prozessen der Aushandlung von Konflikten nachgehen. Der in der breiten Öffentlichkeit verbreiteten Prämisse, es handele sich hierbei grundsätzlich um eine sogenannte Paralleljustiz, soll dabei kritisch-reflektierend nachgegangen werden. Bei dem im Sprachgebrauch der Debatte verwendeten Wortsinn des Begriffs Paralleljustiz handelt es sich um ein Phänomen, bei dem eine justizähnliche Autorität in einer gerichtsförmig verfassten Struktur ausgeübt wird, die a priori im Gegensatz zu rechtsstaatlichen Grundsätzen steht und jegliche Interaktion mit staatlichen Einrichtungen ausschließt. Dies wurde bisher jedoch wissenschaftlich in dieser Bestimmtheit nicht belegt. Das Forschungsvorhaben stellt daher als Ausgangspunkt die Hypothese auf, dass konfliktregulierende Verfahren in der Form, wie sie die Vertreter*innen der sogenannten Paralleljustiz verstehen, nicht per se als parallel zu betrachten sind. Wenn man den Akteur*innen eine rational handelnde Rechtssubjektivität zuschreibt, ist es viel eher denkbar, dass Akteur*innen ihre Anliegen in gerichtliche wie außergerichtliche Bestandteile aufspalten (forum shopping), um aus der betreffenden Fallkonstellation eine für sie jeweils möglichst optimale Rechtsfolge ableiten zu können. Ob und gegebenenfalls wie sich dies in der Lebenswirklichkeit darstellt, ist Kernbestand der empirisch ausgelegten Teilprojekte, die das staatliche Recht, soziokulturelle Rechtsverständnisse und Normderivate in den Blick nehmen. Anliegen dieser Grundlagenforschung ist es, sich in der gebotenen Nüchternheit eines Forschungsdesiderats in Deutschland anzunehmen, ohne dabei problematische Konfliktlagen zu ignorieren oder in den verbreiteten Alarmismus einzustimmen.