Kurze Nachbetrachtung zur Tagung “Moral Economies: Work, Values and Economic Ethics”
Die Tagung „Moral Economies: Work, Values and Economic Ethics“ vom 6.-9. Dezember 2017 wurde von Chris Hann, Sylvia Terpe und Lale Yalçın-Heckmann im Rahmen des ERC-Projekts „REALEURASIA“ des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung organisiert.
Die Tagung, die im Jahr des 500. Reformationsjubiläums in Wittenberg stattgefunden hat, sollte die Mitglieder des REALEURASIA-Projekts mit internationalen Forschern zusammenbringen. Zusätzlich haben wir weitere Diskutanten eingeladen und uns darüber gefreut, dass wir auf diese Weise den Kontakt zu einigen Wissenschaftlern erneuern konnten, die das REALEURASIA-Projekt von Anfang an unterstützt haben. Nach einem Grußwort des langjährigen Rektors der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Udo Sträter war der Eröffnungsvortrag von Hans Joas (Humboldt-Universität zu Berlin) der wissenschaftliche Auftakt der Tagung. Joas, der zu den prominentesten Intellektuellen Deutschlands gehört, fasste in seinem Vortrag die Hauptthesen seines neuesten Buches, „Die Macht des Heiligen“, eloquent zusammen. Darin setzt er sich mit Max Webers Theorie der Entzauberung auseinander. Zentrale Begriffe und Themen Webers wurden am folgenden Vormittag nochmals aufgegriffen, zunächst in einer von Sylvia Terpe moderierten Podiumsdiskussion mit namhaften deutschen Soziologen. (Siehe dazu auch Sylvia Terpes Text: Weber in Wittenberg: a Critical Debate on his Concepts)
Ethnografische Fallstudien und Webers Konzept der Wertsphären
Im weiteren Verlauf der Konferenz stand die Ethnografie in den hauptsächlich von Anthropologen gehaltenen Vorträgen im Vordergrund. Max Weber war aber weiterhin ein Hauptthema, insbesondere seine „Protestantische Ethik“ sowie sein Konzept der Wertsphären – der Schwerpunkt von Sylvia Terpes theoretischer Arbeit – spielten eine wichtige Rolle. Sieben REALEURASIA-Doktoranden stellten ihre Arbeit vor. Sudeshna Chaki, Ceren Deniz und Luca Szücs widmeten sich den Dynamiken von Verwandtschaftsbeziehungen in Familienbetrieben vor dem Hintergrund einer staatlichen Wirtschaftspolitik, die darauf ausgerichtet ist, die Vermarktlichung zu fördern. Lizhou Hao und Laura Hornig beschäftigten sich dagegen mehr mit dem Einfluss religiös-moralischer Ideale in Kleinbetrieben. Daria Tereshina zeigte, wie sich die Einstellung einiger russisch-orthodoxer Priester gegenüber der Marktwirtschaft, die von der Russisch-Orthodoxen Kirche traditionell abgelehnt wurde, nach und nach verändert. Anne-Erita Berta sprach über die historischen Auswirkungen des lutherischen Protestantismus in Dänemark, wo erfolgreiche Unternehmer heute massive staatliche Umverteilung befürworten und großes Interesse daran haben, dass ihren Kindern Werte wie Fairness und Genügsamkeit anstatt das Streben nach Wohlstand vermittelt werden.
Auf der Suche nach der Bedeutung von Moralökonomie heute
Die von den externen Teilnehmern gehaltenen Vorträge umfassten ein breites Themenspektrum. Neben Weber spielte auch das Konzept der Moralökonomie eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Analyse von autonomen militarisierten Bezirken in Myanmar, der Agrarwirtschaft in Israel oder dem dualen Währungssystem in Kuba. Wie der Begriff „Moralökonomie“, der vor einem halben Jahrhundert vom britischen Historiker E.P. Thompson erstmals geprägt wurde, am besten zu definieren und anzuwenden ist, blieb allerdings umstritten. Für die Mitglieder des REALEURASIA-Projekts bot die Tagung eine Vielzahl von vergleichenden Studien und theoretischen Ansätzen, die die Forschung der Gruppe sehr bereichern werden.