Aktuelles Projekt

Am 15. August 2020 kündigte der indische Premierminister an, in mehreren indischen Bundesländern ein Pilotprojekt zum Thema „National Digital Health Mission“ zu starten. Dieses Projekt beinhaltet den Aufbau einer digitalen Infrastruktur zur Speicherung von Gesundheitsdaten, so dass auf diese ortsunabhängig und institutsübergreifend zugegriffen werden kann. Dazu erhalten alle Bürger eine Unique Health IDs. Zugleich enthält die neue Struktur ein ständig aktualisierbares Register von Gesundheitseinrichtungen- und dienstleistern. Indem die indische Regierung hier – wie in vielen anderen aktuellen Digitalisierungsprojekten der India-Stack Plattform – als Architekt für technologische Rahmenbedingungen und Standards auftritt, stellt sie „common digital public goods“ zur Verfügung, die dann auch von privaten Dienstleistern für die Entwicklung ihrer Angebote genutzt werden kann.
Dieses Projekt betrachtet die National Digital Health Mission als neuartige Infrastruktur und untersucht die Effekte, die ihr Aufbau in der Welt entfaltet. Wie setzt die Infrastruktur Bürger*innen, deren Körper, digitale Technologie, Computer und das Gesundheitswesen zueinander in Beziehung und was bedeutet die Herstellung neuer Bezüge und Verbindungen für soziale Sicherheit und die Verortung von Menschen und Dingen in der Gesellschaft? Die Forschung finde unter dem Eindruck von Covid-19 statt. Das Pandemiemanagements entlarvt das Versprechen der digitalen Verwaltbarkeit von Gesundheit als naiv und zeigt auf neue Reibungen, Lücken und Doppeldeutigkeiten auftreten, wenn Gesundheitsdaten auf vielfältige Art digital zu zirkulieren beginnen. Manches wir doppelt und dreifach gezählt und anderes verschwindet im Datendschungel.
Als Fallstudie über die Folgen der Mutation von Patienten zu Daten-Subjekten trägt diese Projekt zur Debatte über die Bedeutung digitaler Technologie für die Gestalt der politischen Landschaft bei. Exemplarische stehen folgende Fragen im Raum. Welche soziale Position besetzen zu Daten geronnene Patienten und Patientinnen? Wie werden ihre Krankendaten verwendet und welche Effekte zeitigt die Zirkulation von persönlichen Gesundheitsprofilen in der Welt? Wie ist beeinflussen die digitalen Daten den Alltag im Krankenhaus? Welche digitalen Arbeitsflüsse werden dort entwickelt, wie werden die verschiedenen Datensätze integrierbar gemacht und welche Art von Daten fließen an die National Health Authority zurück? Welchen Blick hat das politische Zentrum auf den Gesundheitszustand der Bewölkung und wie beeinflusst dies das Planungsverhalten?
Die Beobachtungen über die im Aufbau befindliche neue technologische Umgebung werden in Verbindung gesetzt zu Debatten über die Rolle von Infrastruktur für die Gestalt von sozialer Wirklichkeit. Das Projekt trägt zur Forschung über den digitalen Staat bei und zeigt Kontinuitäten und Brüche auf, in der Art wie Gemeinwohl gedacht wird und was sich verändert, wenn es zur Renovierung der Infrastruktur kommt. Wir wirkt sich die National Digital Health Mission auf bestehende Architekturen des Gesundheitsmanagements und auf Pflegedienstleistung aus und welche Anpassungs-leistungen müssen Patient*innen und Servicestellen erbringen, um die Technologien in ihrem Sinne zu nutzen? Wie verändern sich Krankheits-erfahrungen und Therapiemanagement, was übersieht das neue digitale Panopticon?

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