Buddhismus im Anthropozän – Was können wir von nicht-westlichen Traditionen lernen?

11. Juli 2022

Am 14. und 15. Juli findet am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (MPI) eine Konferenz mit dem Titel „Buddhism in the Anthropocene“ statt. Ethnologen und Buddhismus-Experten zeigen auf der Basis von Fallstudien, wie buddhistische Gemeinschaften auf den durch menschliches Handeln verursachten Wandel von Klima und Umwelt reagieren. Die Konferenz wird von Saskia Abrahms-Kavunenko, Zentrum für zeitgenössische Buddhismusstudien, Universität Kopenhagen, und Jovan Maud, MPI, organisiert.

Alternative Formen des Umgangs mit dem Anthropozän
Niemand kann es leugnen: Der zweckrationale Umgang mit unserem Planeten hat eine dramatische Krise zur Folge, die inzwischen jeden Winkel der Erde erreicht hat. Denn schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Artensterben, Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt und die rapide voranschreitende Erwärmung führen überall auf der Welt zu dramatischen Beeinträchtigungen des Lebens und der sensiblen Erdsysteme. So klar diese Diagnose des menschengemachten Wandels ist, so klar ist aber auch, dass nicht alle Menschen auf die gleiche Weise dafür verantwortlich sind. Deshalb liegt die Frage nahe, ob es jenseits des westlichen Industriekapitalismus, der sich die Erde untertan gemacht hat, Lebensformen gibt, die möglicherweise einen anderen, bescheideneren und rücksichtsvolleren Umgang mit der Welt nahelegen. Denn eines ist inzwischen klar: Die Erdsysteme und globalen Prozesse sind viel zu komplex, um sie einfach in eine bestimmte Richtung steuern oder sie gar beherrschen zu können. „Auffällig ist, dass sich überall auf der Welt Buddhisten mit den Folgen des Anthropozäns und des menschlichen Einflusses auf die Welt auseinandersetzen“, sagt Jovan Maud, Herausgeber des Journal of Global Buddhism und MPI-Mitarbeiter. „Auf unserer Konferenz wollen wir deshalb der Frage nachgehen, ob die vielfältigen buddhistischen Traditionen und Lebensweisen die Chance beinhalten, einen anderen Umgang mit den Herausforderungen des Anthropozäns zu entwickeln.“

Empirische Fallstudien und offene Forschungsfragen
Den Organisatoren der Konferenz geht es dabei nicht um eine moralische Bewertung von Lebensformen oder die plakative Gegenüberstellung von westlichem Rationalismus und östlicher Spiritualität. „Wir bringen vielmehr ethnografische und historische Studien zusammen, die zeigen wie buddhistische Gruppen und Gemeinschaften mit den Wandlungs- und Transformationsprozessen im Anthropozän umgehen“, sagt Maud. Eine der Fallstudien beschreibt beispielsweise wie im indischen Bundesstaat Sikkim im Himalaya durch staatliche Infrastrukturmaßnahmen eine von Buddhisten als heilig verehrte Landschaft zerstört wurde. Die Mobilisierung des Widerstands gegen diese massiven Eingriffe wurde in erster Linie von indigenen und buddhistischen Traditionen getragen. Einige der Großprojekte konnten daraufhin gestoppt werden. „Es ist aber keineswegs so, dass sich Buddhisten modernen Lebensweisen grundsätzlich verschließen“, erklärt Maud. „Denn man muss auch sehen, dass etwa die buddhistischen Pilgerströme, die Produktion von Ritualobjekten aus Plastik und die Bewirtschaftung der großen Klöster ebenso zu den negativen Folgen des Anthropozäns beitragen, wie andere als typisch westlich beschriebene Lebensweisen.“ Gerade diese Ambivalenz zwischen idealisierter Zuschreibung und Realität macht die Fragen, die auf der Konferenz gestellt werden sollen, so interessant. Maud: „Wir wollen beispielsweise darüber diskutieren, warum buddhistische Ideen bei denjenigen, die gegen den Klimawandel und andere Phänomene des Anthropozäns protestieren, so eine große Rolle spielen. Oder ob buddhistische Konzepte wie Karma, Unbeständigkeit, die Vorstellungen von tiefer Zeit, Tod und Sterben neue Anhaltspunkte für den Umgang mit den Folgen des Anthropozäns bieten.“ Die Antworten auf diese Fragen und die Ergebnisse der Konferenz sollen dann 2023 in einem Sonderheft des Journal of Global Buddhism veröffentlicht werden.


Zum Programm der Konferenz
https://s.gwdg.de/DSqsZK

Mehr Informationen zum Centre for Contemporary Buddhist Studies
https://ccrs.ku.dk/research/centres/centre-for-contemporary-buddhist-studies/

Kontakt für diese Pressemitteilung
Dr. Jovan Maud
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Abteilung ‘Ethnologie, Politik und Governance’
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-130
Mail: maud@eth.mpg.de
https://www.eth.mpg.de/5603053/maud

Dr. Saskia Abrahms-Kavunenko
University of Copenhagen
Centre for Contemporary Buddhist Studies
s.abrahms.k@hum.ku.dk

Kontakt für die Presse
Stefan Schwendtner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-425
Mail: schwendtner@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de

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