Die Dokumentation der Undokumentierten:  Das Experimentieren mit Europa im biometrischen Migrantenarchiv

Romm Lewkowitz arbeitet derzeit an einer Monografie mit dem Titel „Documenting the Undocumented“. In der kritischen Ethnographie reflektiert er die sozialen Effekte der mobilen biometrischen Überwachung von Asylbewerbern und illegalen Migranten an den Grenzen der Europäischen Union. Im Zentrum steht ein Paradox. Im postkommunistischen und postfaschistischen Europa, das dem Schutz der Privatsphäre eine sehr hohe Priorität einräumt, sind ausgerechnet Menschen ohne Dokumente lückenlos überwachte Personen. Welche Rolle spielt biometrische Technologie in diesem Überwachungsszenario?
In welchem Verhältnis steht die Entwicklung eines digitalen Überwachungssystems zur Auflösung der europäischen Binnengrenzen? Das Buch thematisiert den von EURODAC (European Asylum Dactyloscopy Database) geschaffenen biometrischen Apparatus im Verhältnis zur gelebten Erfahrung von Migranten, die vor den Kriegen im Nahen Osten flohen. Warum werden ausgerechnet die Körper von illegalen Migranten zu Orten der europäischen Selbstkonstitution?  Was erhoffen sich die Gesetzgeber von biometrischer Überwachung und warum glauben sie, dass ausgerechnet digitale Körperdaten Migranten ‚lesbar‘ machen? Welches neue Verhältnis zwischen Körper und Grenze entsteht hier und wie prägt diese die Zukunft von Staatsbürgerschaft?
Documenting the Undocumented“ beschreibt den biometrischen Apparatus auch als eine Beziehung zwischen verschiedenen Orten. Leser reisen in Gedanken nach Brüssel (der EU-Hauptstadt), an den Izmir (einem Ort für Migrantenschmuggel und den Handel mit gefälschten Papieren), auf die griechischen Insel Chios (einem "Hotspot" der biometrischen Registrierung) und nach Berlin.

Zur Redakteursansicht