Tagungsbericht "Colonialism and Transgenerational Memory in Europe"

15. November 2022

Vom 21. bis 22. September 2022 fand am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung ein Workshop mit dem Titel „Colonialism and Transgenerational Memory in Europe“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Markus Wurzer von der Max-Planck-Forschungsgruppe "Alpine Geschichten des globalen Wandels".

Koloniale Vergangenheit als Teil von Familiengeschichten
Diese interdisziplinäre Veranstaltung versammelte eine internationale Gruppe von AnthropologInnen, HistorikerInnen, Literatur- und PolitikwissenschaftlerInnen sowie MuseologInnen und Artistic ResearcherInnen. Anhand von Fallstudien aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Belgien diskutierten die TeilnehmerInnen darüber, welche Spuren die kolonialen Projekte europäischer Staaten in Familien hinterlassen haben.

Eine methodologische Herausforderung
Ein durchgängiges Thema des Workshops war die große methodologische Herausforderung, die die Beschäftigung mit kolonialen Familiengedächtnissen mit sich bringt. So sind die materiellen Grundlagen von familialen Erinnerungen selten in öffentlichen Archiven aufbewahrt. Fotoalben, Briefkorrespondenzen oder Beutestücke befinden sich nach wie vor bei den Familien, was den Zugang erschwert. Eine andere Schwierigkeit besteht in den unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Familien einerseits und der Forschenden andererseits. Das trat nicht zuletzt bei jenen Papers zutage, die sich mit den kolonialen Verstrickungen der eigenen Familiengeschichten beschäftigten. Die Reflexion der eigenen Position stellt stets eine dringende Notwendigkeit dar.

Die Mär von den "guten" KolonialherrInnen
Vorstellungen über koloniale Vergangenheiten werden nicht nur in Museen oder Schulbüchern weitergegeben, sondern auch in familialen Kontexten. Dabei erweist sich die Familienerinnerung als ein besonders wirksamer Modus des kollektiven Gedächtnisses, der das individuelle Geschichtsbewusstsein nachhaltig zu prägen vermag. Mehrere Vorträge widmeten sich der Frage, was in Familien (nicht) erzählt wird. Dabei zeigte sich, dass Familien einen Rückzugsort kolonialer Geschichtsmythen darstellen. Oft dominiert die Vorstellung, dass die eigenen Vorfahren "anständige" KolonialherrInnen gewesen seien, die die Unterworfenen wohlwollend behandelt hätten. Ausbeutung und Gewalt bleiben dagegen unbesprochen.

Restitution benötigt emotionale Perspektive
Die Frage, wie mit dem kolonialen Erbe in Museen oder Archiven umzugehen ist, beschäftigt die Wissenschaft seit vielen Jahren. Im Rahmen des Workshops wurde dafür plädiert, dass die Debatte davon profitieren würde, wenn in diese eine emotionale Perspektive integriert werden würde. Erst dann könne man den zur Diskussion stehenden Objekten und den Bedeutungen, die sie tragen, wirklich gerecht zu werden.

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