JUST MIGRATION: Arbeitsmigrationsregime im transnationalen Kontext

Forschungsskizze

Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels und des wahrgenommenen Bedarfs der Arbeitsmärkte haben die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Bemühungen um die Anwerbung von Arbeitsmigranten in den vergangenen zehn Jahren erheblich intensiviert. Der öffentliche Diskurs darüber, wie Arbeitsmigration in die EU und ihre Mitgliedstaaten organisiert und reguliert werden soll, wird jedoch noch immer stark von einer ordnungspolitischen Perspektive dominiert, die sich auf die Interessen der Zielländer konzentriert und von der Idee geleitet ist, dass das Recht Migration lückenlos kontrollieren und steuern kann. Migration wird dabei eher als Ausnahme, denn als normalen sozialen Prozess begreift. Dies berücksichtigt jedoch nicht die dynamische und komplexe Natur von Migrationsbewegungen, die durch ein komplexes Zusammenspiel von Handlungen und Strukturen bestimmt werden, wobei Migrationsentscheidungen nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch die Wünsche und Fähigkeiten der Migranten beeinflusst werden. Ebenso wenig wird in Rechnung gestellt, dass die Steuerung der Arbeitsmigration durch umfassendere gesellschaftliche Veränderungen wie Digitalisierung, Klimawandel, eine sich verändernde internationale Ordnung und eine mögliche Deglobalisierung erheblich beeinflusst wird.

Das heutige Recht der Arbeitsmigration kann daher kaum untersucht, vollständig verstanden oder kritisch analysiert werden, ohne die Handlungsfähigkeit von Migrant:innen und die transnationale Dimension der Migration einzubeziehen. Damit sind insbesondere die Interessen von und die Bedingungen in den Herkunftsländern sowie strukturelle globale Ungleichheiten angesprochen.

In den komplexen Prozessen der Arbeitsmigration spielt das Recht eine vielschichtige Rolle. Einerseits gewinnt das Recht als Regulierungsinstrument an Bedeutung, nicht nur durch die Verschärfung von Grenzkontrollen, die Beschränkung des Zugangs zu Visa und die verstärkte Sicherung von Migration, sondern auch durch die Schaffung neuer rechtlicher Regelungen und Bedingungen für Arbeitsmigration. Andererseits sind die Auswirkungen des Rechts auf die Arbeitsmigration oft vermittelt und indirekt. Dies liegt daran, dass das Recht in einem komplexen Zusammenspiel verschiedener kommerzieller, wirtschaftlicher, kultureller und technologischer Variablen wirkt, die die Arbeitsmigration heute prägen. Hieran ist eine Vielzahl von Akteuren beteiligt, sowohl öffentliche (Herkunfts- und Zielländer) als auch private (Migranten, Arbeitgeber, Vermittler). Ihre jeweilige Rolle und rechtliche Verantwortlichkeit sind häufig nicht vollständig geklärt. Darüber hinaus werden auch die Verfahren zur Rekrutierung von Migranten (d. h. die Kontrolle von Qualifikationserfordernissen oder anderen Einreisevoraussetzungen) und die Zugangsverfahren zunehmend marktorientiert organisiert und zum Teil privatisiert. Privater Akteure (Migranten, Arbeitgeber, Vermittlungsagenturen) gewinnen dadurch an Bedeutung. Arbeitsmigration ist daher heute oft ein Zusammenspiel privater und öffentlicher Interessen und Akteure, die in größerer gesellschaftliche Transformationsprozesse eingebunden sind. Diese Einsichten sind von der rechtswissenschaftlichen Debatte jedoch noch nicht vollständig erfasst und verarbeitet worden.

Vor diesem Hintergrund untersucht JUST MIGRATION:

  1. wie Arbeitsmigrationsregime im Kontext des gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandels verhandelt und gestaltet werden und inwieweit sich die Handlungsfähigkeit von Migranten und die Perspektive des Herkunftslandes darin widerspiegeln;
  2. wie verschiedene Akteure „gerechte“ Arbeitsmigration konzeptualisieren und was passiert, wenn diese Konzepte in das Recht übertragen werden;
  3. wie Migrant:innen das aktuelle Arbeitsmigrationsrecht in der EU navigieren und strategisch nutzen;
  4. und versucht, einen analytischen Rahmen zu entwickeln, der es ermöglicht, die Handlungsfähigkeit von Migrant:innenen und eine transnationale Perspektive bei der Analyse und Entwicklung des Arbeitsmigrationsrechts systematisch zu berücksichtigen.

Handlungsfähigkeit, Macht und globale Ungleichheit

Promotionsprojekt: Angélica Cocomá

In diesem Projekt wird untersucht, wie Migranten aus dem globalen Süden Arbeitsmigrationsregelungen nutzen, um ihre Handlungsfähigkeit in europäischen Ländern zu behaupten. Anhand von ethnographischen Interviews mit hochqualifizierten Migrantinnen aus Afrika, Asien und Lateinamerika wird im Rahmen des Projekts untersucht, wie Migranten die rechtliche Regulierung von Arbeitsmigration erleben und bewältigen und wie sich dies auf ihr soziales und berufliches Leben auswirkt. Das Projekt zielt darauf ab, ein neues theoretisches Verständnis von Handlungsfähigkeit im Kontext des Arbeitsmigrationsrechts zu entwickeln, das in die künftige Forschung zu Migration, internationalen Menschenrechten und Rechtsanthropologie einfließen kann.

Transnationale Dimensionen in der Gesetzgebung zur Arbeitsmigration

Promotionsprojekt: Katharina Ebner

Vor dem Hintergrund der laufenden Überarbeitung des EU-Besitzstandes im Bereich der Arbeitsmigration soll in diesem Projekt untersucht werden, wie der Gesetzgeber die transnationale Dimension der Arbeitsmigration bei der Rechtsetzung konzeptualisiert. Während die Perspektiven von Drittparteien wie den Herkunftsländern und den Migranten selbst im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden, bleibt unklar, wie die transnationale Dimension konzeptualisiert und in konkrete legislative Ergebnisse umgesetzt wird. Durch die Kombination von juristischer Analyse und anthropologischer Forschung wird das Projekt Aufschluss darüber geben, wie EU-Arbeitsmigrationsgesetze und rechtliche Konzepte verhandelt werden und inwieweit nicht-juristische Perspektiven und Erzählungen berücksichtigt werden.

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