Materielle Erneuerung und sozialer Wandel


Post-industrieller Zerfall im Kupfergürtel Sambias
In seinem Forschungsprojekt am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung untersuchte Christian Straube Zerfalls- und Renovationsprozesse im Kontext der privatisierten Kupferindustrie Sambias. Seine Feldforschung führte er von Juli 2015 bis Oktober 2016 in der ehemaligen Bergbau-Township Mpatamatu der Stadt Luanshya durch. Mit Blick auf die in der Vergangenheit durch das Bergbauunternehmen errichteten Gebäude sozialer Teilhabe wie Bars und Gemeindezentren, erforschte er, wie die Township-Bewohner sich diese Räume privat und in Gemeinschaft neu aneigneten.

Der Metallbogen am Ortseingang nach Luanshya heißt Besucher in dieser alten Bergbaustadt willkommen. Das Stadtwappen in der Mitte des Bogens mit seinen zwei Roan-Antilopen und der Losung „als Kupfer wertvoll war“, lat. aes erat in pretio, verweisen auf die Gründung der Stadt als Minenlager. © Christian Straube

Der verlassene Friedhof im ehemals europäischen Teil der Stadt erzählt von den schwierigen Lebensbedingungen während der Gründungsphase der Bergbaustadt. Viele Bewohner starben in jungen Jahren an Malaria. Später wurde in den 1930er Jahren vom Minenbetreiber ein Anti-Malaria-Programm initiiert. Die Tropenkrankheit und die Todesfälle gingen daraufhin rapide zurück. © Christian Straube

Das Werksgelände der Mine von Luanshya, gegründet als Roan Antelope Copper Mines, ist der Ort, wo in den späten 1920er Jahren der Kupferabbau begann. Von der Township Roan aus gesehen, die in den 1930er Jahren als afrikanische Township gegründet wurde, bewegte sich die Produktion nach Nordwesten. Die wachsende Distanz zwischen Roan und den neuen Schächten machte eine weitere Township weiter im Westen notwendig. So wurde 1957 der Bau von Mpatamatu begonnen. © Christian Straube

Der Förderturm von Schacht Nummer 18 wacht immer noch über die Straße, die in die Township Mpatamatu führt. Der Kupferabbau begann unter Tage mit Schächten, die in den Erzflöz getrieben wurden. Misswirtschaft und Korruption während der Reprivatisierung führten zu einer Flutung der Schächte. Heute findet ein Großteil des Abbaus westlich vom Förderturm im Tagebau statt. © Christian Straube

Mpatamatu ist gekennzeichnet von alten und neuen Formen der Infrastruktur. Schacht Nummer 28 ist seit der Reprivatisierung der sambischen Kupferindustrie Ende der 1990er Jahre geschlossen. Sein Förderturm dient nicht mehr als Symbol für das Haupteinkommen der Township-Bewohner. Der Mobilfunkturm vor ihm weist auf neue Möglichkeiten der Kommunikation hin, die oft die Basis für ein neues informelles Unternehmertum sind. © Christian Straube

Als Mpatamatu errichtet wurde, war jeder Haushalt mit fließendem Wasser und Strom versorgt. Diese Infrastruktur wurde unter dem Staatskonzern ZCCM erhalten. Nach der Reprivatisierung kollabierte sie. Zudem konnten sich die Township-Bewohner Strom und Wasser aus der Leitung nicht mehr leisten. Dörfliche Praktiken des Wasserholens und der Essenszubereitung auf imbaula-Kochern hielten Einzug in das urbane Mpatamatu. © Christian Straube

Eingeschlagene Fenster stehen symbolisch für den Zustand staatlicher Schulen in Mpatamatu. 1959 wurde diese Einrichtung als „Staatliche Schule für Eingeborene“ unter der britischen Kolonialregierung eröffnet, 1964 vom sambischen Bildungsministerium übernommen. Bis heute steht der Backsteinbau nahezu unverändert an seinem Platz. Vandalismus und fehlende Gelder für Renovierungsarbeiten haben ihre Spuren hinterlassen. © Christian Straube

Das chinesische Staatsunternehmen CNMC betreibt die Kupfermine in Luanshya. Aus dem Leben der Arbeiter und ihrer Familien halten sich die Chinesen jedoch größtenteils heraus. Die Worte auf Mpatamatus Kalulu Street mögen eine Anspielung auf die indirekte Macht des Arbeitgebers über die Lebensverhältnisse der Menschen oder ein Hinweis auf die chinesischen Firmen im sambischen Straßenbausektor sein. © Christian Straube

Der Sportkomplex von Mpatamatu bot in der Vergangenheit den Minenangestellten und ihren Angehörigen eine ganze Bandbreite von Freizeitaktivitäten wie Basketball, Badminton und Kampfsport. Er beinhaltete auch einen Fitnessraum. Vom Minenbetreiber verlassen, wurde der Komplex zur Kirche einer internationalen Pfingstbewegung. In ihrem Verlangen nach Sicherheit und Erfolg wendeten sich die Menschen von der Mine ab und hin zu Gott. © Christian Straube

Ein Schild heißt Besucher des Stadions von Mpatamatu willkommen. Es ist immer noch das Zuhause eines Fußballclubs, jedoch ist es kein Minenclub mehr. Die Unterstützung für den Fußball durch die Minen war unter dem Staatskonzern ZCCM enorm. Heutzutage kann Mpatamatu United FC aufgrund von finanziellen Engpässen nicht in eine höhere Liga aufsteigen. © Christian Straube

Die Rückseite der Tribüne des Stadions von Mpatamatu zeigt wie „der Busch“ sich in der Township, die einmal von urbanem Konsum geprägt war, ausbreitet. Die heruntergekommene Sportstätte wird umzingelt von Subsistenzfeldern. Gezieltes Abbrennen, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu steigern, läutet eine neue Saison ein für die Pflanzung von Mais, Bananen und Kohl. © Christian Straube

Ein selbst gebautes Holztor steht am Ende eines Fußballfeldes östlich des Muliashi-Gemeindezentrums. Wo einst ein Spielplatz, Volleyball- und Basketball-Plätze Freizeitangebote für Bergleute und ihre Familien boten, müssen Township-Bewohner heute improvisieren, um Sport möglich zu machen. © Christian Straube

Die Kansengu-Taverne war früher Mpatamatus einziger Bierausschank. Sie ist zentral gelegen und sollte die Bewohner der Sektionen 21, 22 und 23 versorgen. Das Geschäft ist eingebrochen und das Gebäude wurde mehrfach verwüstet. Der momentane Pächter hat Teile des Gebäudes untervermietet, um Geld einzunehmen und Einbrüche zu verhindern. © Christian Straube

Die Kabulangeti-Taverne war in der Vergangenheit Bestandteil einer dezentralen Infrastruktur von Bierhallen in ganz Mpatamatu. Mehrere Unternehmer scheiterten nach der Reprivatisierung daran, das Geschäft mit Bier ohne finanzielle Unterstützung durch die Mine aufrechtzuerhalten. Schließlich wurde aus dem Bierausschank ein Gotteshaus. Während eines Gottesdienstes konfrontiert die Predigerin die Gemeinde mit dem Teufel, indem sie auf die vormals unmoralischen Zustände am Ort verweist: Alkoholkonsum und unlautere Annäherungsversuche zwischen Männern und Frauen. © Christian Straube

Mpatamatus Zahlstelle füllte sich in der Vergangenheit an jedem Monatsende mit Bergleuten. Hier bekamen die Kumpel ihr Gehalt in bar ausgezahlt. In Zeiten von Banküberweisungen schien das Schicksal der Gebäude besiegelt zu sein. Letztlich eröffnete in ihnen eine Privatschule. Wände wurden eingezogen und Klassenräume errichtet. Ursprünglich nicht dafür gedacht in ihnen zu sitzen und zu lernen, werden die niedrigen Gebäude ohne richtige Fenster sehr heiß in der Trockenzeit. © Christian Straube

Der Innenhof von Mpatamatus Nkulumashiba East Secondary School in Sektion 22. Als Grundschule gegründet und aus den gleichen roten Ziegeln errichtet wie die Sozialgebäude der Township wurde die Bildungseinrichtung Anfang der 2010er Jahre eine Sekundarschule. © Christian Straube

Die ehemalige Trainingshalle für Boxer „Halle B“ ist zu einer Schreinerei geworden. Der Besitzer musste die Produktpalette schrittweise verkleinern, bis in der Werkstatt nur noch ein Produkt hergestellt wurde, das alle Menschen am Ende ihres Lebens benötigen: Särge. © Christian Straube
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