Die Entwicklung von Moral und Gesellschaft in Eurasien

28. Juni 2021

Moralische Gebote und Regeln haben für unser Zusammenleben eine immense Bedeutung. Aber wie entstehen sie, welche Funktion haben sie in unterschiedlichen Kontexten und wie haben sie sich im Laufe der Menschheitsgeschichte gewandelt? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Online-Tagung “Society and Morality in Eurasia: From Prehistory to the Present Day”, die vom 7. bis 9. Juli 2021 von Chris Hann, Direktor der Abteilung „Resilienz und Transformation in Eurasien“ am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (MPI) in Kooperation mit dem Archäologen Franҫois Bertemes und dem Historiker Andreas Pečar von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) organisiert wird.

Den Auftakt machen am Mittwoch, 7. Juli, um 18:00 Uhr, drei international anerkannte Experten: Alan Strathern (Historiker an der Universität Oxford), Stella Souvatzi (Archäologin an der Universität Thessalien) und Joel Robbins (Sozialanthropologe an der Universität Cambridge) beginnen den transdisziplinären Dialog mit Beiträgen zu „The Eurasian Moral Revolution: Transcendentalism and its Implications“, „Morality, Egalitarianism and Social Complexity in the Early Farming Societies“ sowie „When Did It Become Hard to Be Good? Axial Dynamics and the Problem of the Moral Self“. Damit bestellen sie das Feld für 7 Panels und 18 Vorträge in den darauffolgenden Tagen.

Moralische Kontexte: Begräbnisriten, Solidarność und Rechtspopulismus
Die Bandbreite der Tagung – bei der auch zahlreiche junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus angrenzenden Disziplinen vertreten sind – reicht von den Ursprüngen moralischer und religiöser Symbolik in der Kunst und in Begräbnisriten während des Paläolithikums; vom Zusammenhang moralischer und verwandtschaftlicher Konzeptionen im alten Mesopotamien, über die Aushandlung moralischer Standards sowie der zunehmenden Popularität wohltätiger Berühmtheiten im Zeitalter der Aufklärung, bis hin zu moralisch-gesellschaftlichen Forderungen in Umbruchzeiten wie der Russischen Revolution von 1905 oder der Solidarność-Bewegung in Polen 1980/81. Komplementiert werden diese neuen archäologischen und historischen Einblicke durch empirische Beiträge zur rechtspopulistischen Rhetorik der AFD und deren Vergleich mit Reden der NSDAP in den 1920er und 30er Jahren; zu Praktiken moralischer Selbstzuschreibungen rumänischer Roma im Umfeld wirtschaftlicher Interaktion mit Nicht-Roma; und schließlich, zu den ethischen Dimensionen von Kooperation und Widerstand im Kontext staatlicher, sozialer und religiöser Grenzziehungen in der Kaschmirregion.

Moral und der Umgang mit dem „Fremden“
Über die Einzelbeiträge hinausgehend, setzt sich die Tagung mit übergeordneten Fragen von weitreichender Relevanz für Prozesse des menschlichen Zusammenlebens auseinander. Wenn unterschiedliche Normen für den Umgang mit sozialer und kultureller „Fremdheit“ gelten, wie werden dann die Grenzen „unserer“ Gesellschaft gezogen? Wie werden Vorstellungen vom „Guten“ kommuniziert, transportiert und von Individuen und Gemeinschaften im Alltag gelebt? Wie spiegeln sich solche Vorstellungen in politischen Hierarchien und interethnischen Beziehungen, in wirtschaftlichem Austausch und Versorgung, in Rechtskodizes und in den wechselseitigen Verpflichtungen von Verwandtschaft und Freundschaft wider?

ANARCHIE – Graduiertenprogramm seit 2012
Die Tagung markiert den Abschluss der seit 2012 bestehenden „International Max Planck Research School for the Anthropology, Archaeology and History of Eurasia“ (IMPRS ANARCHIE) zwischen dem MPI und der MLU. Seit ihrem Bestehen eröffnet diese Kooperation hochqualifizierten Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Dissertation im Rahmen eines strukturierten Graduiertenprogramms unter hervorragenden Forschungsbedingungen zu erstellen und fördert dabei den gegenseitigen theoretischen und methodischen Austausch aller beteiligten Disziplinen. Insgesamt werden bis zum Abschluss des Graduiertenprogramms mehr als 35 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreich promoviert worden sein.

Mehr Informationen zum Doktorandenprogramm ANARCHIE: http://www.eth.mpg.de/2940538/anarchie

Kontakt für diese Pressemitteilung
Sascha Roth
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Abteilung ‘Resilienz und Transformation in Eurasien’
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-377
Mail: roth@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de/roth

Kontakt für die Presse
Stefan Schwendtner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-425
Mail: schwendtner@eth.mpg.de
http://www.eth.mpg.de

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